Wiesbaden (epd). Der Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) hat seine Arbeit ohne gemeinsame Einschätzung einer zentralen Frage beendet. Ob der Mord 2019 hätte verhindert werden können, könne der Ausschuss „nicht abschließend seriös beantworten“, sagte der Berichterstatter Gerald Kummer (SPD) am Mittwoch im Wiesbadener Landtag. Die Abgeordneten debattierten den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses, dessen Arbeit nach rund drei Jahren endete.
Der Ausschuss sollte herausfinden, inwiefern es bei den hessischen Sicherheitsbehörden vor dem Mord zu Fehlern kam. Der Verfassungsschutz hatte die Akte des Rechtsextremisten und späteren Mörders Stephan Ernst im Jahr 2015 gesperrt. Er war dem Verfassungsschutz seit fünf Jahren nicht mehr aufgefallen, obwohl Ernst noch 2011 an einer rechtsextremistischen Veranstaltung teilnahm und dort auch fotografiert, von den Behörden aber nicht erkannt wurde.
„Wäre er erkannt worden, hätte das zwingend zur weiteren Beobachtung geführt“, sagte Eva Goldbach (Grüne). Ob der Mord zu verhindern gewesen wäre, lasse sich trotzdem „nicht faktenbasiert“ beantworten. Im Abschlussbericht steht, dass „die Gefährlichkeit von Stephan Ernst rückblickend“ außer Frage stehe. Die Entscheidung, ihn nicht weiter zu beobachten, sei aus heutiger Sicht fehlerhaft.
Für die oppositionelle Fraktion der Linken steht fest: „Der Mord hätte verhindert werden können“, sagte ihr Abgeordneter Torsten Felstehausen. Dass Lübcke im Fadenkreuz der extremen Rechten stand, hätte schon seit 2015 klar sein müssen. Damals führte ein Auftritt von Lübcke, der sich bei einer Bürgerversammlung für die Unterbringung von Geflüchteten einsetzte, zu einer Welle von Hasskommentaren im Internet. Diese „rechte Hetze“ sei von den Sicherheitsbehörden nicht ernst genommen worden.
Ebenfalls ein Streitpunkt innerhalb des Untersuchungsausschusses war der Abschlussbericht selbst. Dem vom Oppositionspolitiker Gerald Kummer verfassten Bericht setzten die Regierungsfraktionen CDU und Grüne einen eigenen Entwurf entgegen, was unter den anderen Fraktionen für Empörung sorgte. Neben dem mehr als 600 Seiten umfassenden Bericht der Regierungskoalition haben die SPD- und FDP-Fraktion ein gemeinsames Sondervotum veröffentlicht, die Links- und AfD-Fraktion haben je ein eigenes Papier verfasst.
Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses in Wolfhagen-Istha erschossen worden. Der Mörder wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.