Berlin (epd). Nach der Forderung des CDU-Politikers Thorsten Frei, das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen, geht die Debatte um den Umgang mit Fluchtbewegungen weiter. Aus Sicht des Migrationsforschers Gerald Knaus würde eine Abschaffung des Individualrechts auf Asyl die aktuellen Probleme in Europa nicht lösen. „Das echte Problem ist, dass wir es nicht schaffen derzeit, die Migrationsabkommen zu schließen, die wir brauchen“, sagte Knaus am Mittwoch im ARD-„Morgenmagazin“. Der Rat für Migration wies Freis Vorstoß aus grundsätzlichen Erwägungen zurück. Frei selbst verteidigte seine Forderung.
Er hatte vorgeschlagen, das individuelle Recht auf Asyl durch eine „Institutsgarantie“ zu ersetzen, in deren Rahmen die EU jährlich ein Kontingent von 300.000 bis 400.000 Schutzbedürftigen direkt aus dem Ausland aufnehmen könnte. Frei argumentiert mit einem Konstruktionsfehler in der aktuellen Rechtslage, da die Voraussetzung für Asyl ein Antrag auf europäischem Boden sei. Damit gelte ein „Recht des Stärkeren“, wer zu alt, zu schwach, zu arm oder zu krank sei, sei chancenlos.
Knaus sagte, Freis Vorschlag würde an der aktuellen Situation nichts verbessern. Es fehlten Vereinbarungen, um Ausreisepflichtige aus der Europäischen Union zurückzubringen, argumentierte der Vorsitzende der Berliner Denkfabrik „European Stability Initiative“. Auch müsse es möglich werden, Menschen in sichere Drittstaaten zurückzuschicken, um zum Beispiel Mittelmeerflüchtlingen eine Rückkehr nach Libyen zu ersparen.
Die EU-Kommission hatte vor wenigen Tagen ein Abkommen mit Tunesien unterzeichnet, das Fluchtbewegungen über das Mittelmeer einschränken soll. Wegen des aktuell fragwürdigen Umgangs Tunesiens mit Migranten ist die Vereinbarung allerdings auch umstritten.
Frei verteidigte unter anderem in der „Rheinischen Post“ (Donnerstag) seinen Vorschlag: „Das individuelle Asylrecht durch Kontingente für Schutzbedürftige zu ersetzen, wäre ein Weg, unseren humanitären Anspruch mit den begrenzten eigenen Möglichkeiten in Einklang zu bringen“, sagte er.
Tatsächlich hatte bereits die Bundesregierung unter Angela Merkel (CDU) versucht, durch solche Kontingente Fluchtbewegungen zu steuern. Seit Jahren beteiligen sich Deutschland und die EU am UN-Resettlement-Programm, über das besonders schutzbedürftige Gruppen wie Frauen, Kinder, Kranke und Behinderte an sichere Orte umgesiedelt werden.
Im Vergleich zu den Zugangszahlen über das reguläre Asylsystem sind es aber wenige Flüchtlinge, die auf diese Weise nach Deutschland kommen. Während 2022 knapp 218.000 Menschen nach Deutschland kamen, um einen Antrag auf Asyl zu stellen, wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums nur 5.687 Menschen über das Resettlement-Verfahren aufgenommen. Für dieses Jahr hat die Bundesregierung 6.500 Plätze zugesagt, wie ein Ministeriumssprecher sagte. Hinzu kommen Programme für afghanische Ortskräfte sowie Menschenrechtsverteidiger und Frauenrechtlerinnen aus Russland, Belarus und Iran. Dies alles summiert sich auf einen „jährlich niedrigen fünfstelligen Bereich“, wie der Sprecher sagte.
Der Rat für Migration machte am Mittwoch auch grundsätzliche Erwägungen gegen ausschließliche Kontingentregelungen geltend. Dies würde das System der Flüchtlingsaufnahme mit mehr Willkür belasten und die Lösung zu einem Instrument innenpolitischer Konflikte machen, erklärte er. Das individuelle Asylrecht sei immerhin auch eine Konsequenz aus dem Scheitern von Kontingentlösungen, hieß es in einer Mitteilung.