Düsseldorf, Viersen (epd). Ein Einschreiten der Ausländerbehörde der Stadt Viersen gegen ein Kirchenasyl für ein kurdisches Ehepaar stößt bei der Evangelischen Kirche im Rheinland auf Empörung. „Wir sind über das Vorgehen erschüttert und protestieren gegen diesen gewaltsamen Bruch des Kirchenasyls“, schrieb die Leiterin der Abteilung Theologie und Ökumene, Oberkirchenrätin Wiebke Janssen, in einem Brief an die Viersener Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) und den Landrat Andreas Coenen (CDU). Das Ökumenische Netzwerk „Asyl in der Kirche NRW“ sprach am Donnerstag von einer „roten Linie“, die überschritten worden sei.
Das aus dem Irak stammende Ehepaar war nach Angaben der rheinischen Landeskirche am frühen Montagmorgen während einer unangekündigten Hausdurchsuchung in den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde Lobberich-Hinsbeck, die zur Stadt Nettetal gehört, festgenommen worden. Die Ausländerbehörde in Viersen war aktiv geworden, weil das Paar dort gemeldet war. Der anschließende Versuch, vom Flughafen Düsseldorf nach Polen zu überstellen, wurde laut dem Ökumenischen Netzwerk „Asyl in der Kirche NRW“ von der Bundespolizei abgebrochen, weil die Frau einen Zusammenbruch erlitten hatte. Die Stadt Viersen erklärte auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd), „entsprechende gerichtliche Entscheidungen“ für das Vorgehen der Behörde lägen vor.
Pfarrerin Elke Langer von der betroffenen Kirchengemeinde äußerte sich erschüttert. „Wir haben das Kirchenasyl aus humanitären Gründen gewährt - ein solcher repressiver Abschiebungsversuch zweier traumatisierter Menschen ist ein Skandal“, sagte sie.
Das Paar befindet sich nach Angaben der Stadt Viersen nun in der Abschiebehaftanstalt Darmstadt. Die beiden seien 2021 aus dem Irak geflohen und lebten seit Ende Mai 2023 im Kirchenasyl, erklärte die rheinische Kirche. Zuvor hatten die beiden in Polen in einem geschlossenen Lager über einen längeren Zeitraum gelebt und stünden seitdem unter „massivem psychischem Druck“, wie das Kirchenasly-Netzwerk und Abschiebungsreporting NRW mitteilten.
„Das seit Mai 2023 bestehende Kirchenasyl sollte grundlegende Rechte des kurdischen Ehepaars schützen, wie eine adäquate psychosoziale Unterstützung, medizinische Versorgung und eine menschliche Unterbringung. Den Zugang hierzu hätten beide Personen nicht durch eine sogenannte Dublin-Überstellung nach Polen“, erklärte Benedikt Kern, Theologe und Mitarbeiter im Ökumenischen Netzwerk, das das Kirchenasyl begleitet hat.
Gewaltsame Räumungen von Kirchenasylen sind nach Angaben des Netzwerks und des Abschiebungsreportings NRW ungewöhnlich, da die Behörden den Schutzraum für Flüchtling in Kirchengemeinden in der Regel respektieren. In Nordrhein-Westfalen gibt es demnach aktuell rund 140 laufende Kirchenasyle. Im vergangenen Jahr hätten rund 98 Prozent der Fälle mit einer Bleibeperspektive für die Betroffenen beendet werden können.
Oberkirchenrätin Janssen betonte in ihren Schreiben, dass das Vorgehen der Ausländerbehörde gegen Absprachen zum Kirchenasyl verstoße. Vor dem unangekündigten Bruch des Kirchenasyls durch die Ausländerbehörde habe es keine Kommunikation in der Sache oder Versuche seitens der Behörde gegeben, eine andere Lösung für die Situation zu finden. „Genau das ist in konflikthaften Situationen aber bewährte Praxis und mit dem Land NRW so vereinbart“, betonte sie.
Die Stadtverwaltung Viersen erklärte auf epd-Anfrage, dass es in dem Verfahren nicht um eine Abschiebung gehe, sondern eine erneute Überstellung nach der Dublin-III-Verordnung der EU nach Polen geplant sei. In diesem sicheren Drittstaat sei über das Asylverfahren zu entscheiden.