Brüssel, Straßburg (epd). Die intersexuelle Athletin Caster Semenya ist durch Regeln des Leichtathletik-Weltverbandes sexuell diskriminiert worden. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag in Straßburg entschieden. Leichtathletinnen mit natürlich erhöhten Testosteron-Werten dürfen laut dem Verband nur dann an internationalen Wettkämpfen teilnehmen, wenn sie ihren Testosteronspiegel durch Medikamente senken.
Die südafrikanische Olympiasiegerin Semenya hatte dagegen geklagt. Die Richter des EGMR gaben ihr recht und stellten eine Verletzung von Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention fest, dem Verbot der Diskriminierung.
Nach dem Sieg der intersexuellen Läuferin bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009 in Berlin war eine Diskussion über das Geschlecht der damals 18-Jährigen entbrannt. 2011 führte der Leichtathletikverband World Athletics eine erste Testosteron-Regel für Frauen ein, 2018 wurden daraus die „Teilnahmebedingungen für die weibliche Klassifizierung“.
Semenya unterzog sich zunächst einer Hormontherapie, litt aber unter Nebenwirkungen und lehnte die Behandlung schließlich ab. Daraufhin wurde sie von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen. Ihre Klagen gegen die Vorschriften wurden abgewiesen.
Das Urteil des EGMR richtet sich formal gegen die Schweizer Justiz, weil diese 2020 eine Entscheidung des Internationalen Sportgerichtshofs (TAS) bestätigt und die Regelung des Leichtathletikverbands für gültig erklärt hatte.