Berlin (epd). Die geplante, aber umstrittene Kindergrundsicherung soll nach der Sommerpause vom Bundeskabinett beschlossen werden. Das stellten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) am Dienstag in Aussicht. Paus sagte in Berlin, sie habe einen „Zeitplan bis Ende August eingefordert“. Unter Verweis auf einen Brief des Kanzlers „ist klargestellt, dass es Leistungsverbesserungen geben wird“, sagte die Ministerin: „Ich habe mich über diesen Brief gefreut. Er ist ein Signal in Richtung des Finanzministers.“ Unterdessen äußerte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) erneut kritisch zur Finanzierung.
Die Grünen-Politikerin bezog sich damit auf einen Brief von Scholz, über den zuerst das ARD-Hauptstadtstudio berichtet hatte. Darin nennt er den Termin Ende August und bittet die Familienministerin auch „hinsichtlich der mit der Einführung der Kindergrundsicherung beabsichtigten Leistungsverbesserungen“, Alternativen zur Ausgestaltung der Leistung zu erarbeiten.
Die neue Kindergrundsicherung soll nach den Plänen der Bundesregierung ab 2025 ausgezahlt werden und bisherige Familienleistungen bündeln, wie Kindergeld, das Kinder-Bürgergeld, den Kinderzuschlag, möglicherweise auch die Unterstützung für Bildung und Teilhabe oder den seit Mitte 2022 gezahlten Sofortzuschlag von 20 Euro für Kinder aus Familien, die bereits staatliche Leistungen beziehen. Zugleich sollen Zugangshürden für Familien abgebaut werden.
In der Ampelkoalition steht die FDP Leistungsausweitungen kritisch gegenüber. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die von Paus ursprünglich erhobene Forderung von zwölf Milliarden Euro pro Jahr mehrfach zurückgewiesen. In der Finanzplanung des Bundes für die Jahre 2025 bis 2027 ist Lindner zufolge nun ein „Merkposten“ von zwei Milliarden Euro vorgesehen. In den kommenden Wochen wird es bei den Verhandlungen zunächst um den Finanzbedarf in der Einführungsphase der Kindergrundsicherung gehen.
Paus wies Vorwürfe vor allem aus der FDP zurück, wonach sie bisher kein ausgearbeitetes Konzept vorgelegt habe. Sie erklärte, in ihrem Haus seien alle Varianten durchgerechnet worden. Die Zahlen lägen den anderen Ministerien auch vor: „Wir wären nicht da, wo wir heute sind, wenn wir die Zahlen in alle Winde gestreut hätten“, sagte Paus: „Ich fürchte, dann wäre das Projekt zerredet worden.“
FDP-Chef Lindner sagte der „Bild“-Zeitung (Dienstag): „Die Regierung hat die Förderung von Familien massiv ausgebaut. Das setzen wir fort. Aber irgendwann stellt sich die Frage, ob zusätzliches Geld nicht besser an die Schulen gehen sollte statt auf das Konto der Eltern.“ Damit meldet er Zweifel an, ob Unterstützungsleistungen wie etwa für Schulmaterialien oder Vereinsbeiträge Teil der Kindergrundsicherung sein sollen.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken betonte am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk: „Das gemeinsame Ziel ist, die Kinderarmut in Deutschland zu überwinden.“ Esken erläuterte, fast sechs Milliarden Euro seien bereits verbucht für die Erhöhung von Kindergeld und Kinderzuschlag auf je 250 Euro pro Monat zum Anfang dieses Jahres. Die zwei Milliarden Euro seien nur ein „Merkposten“ im Haushaltsplan, betonte Esken. Nun müsse man durchrechnen, welche zusätzlichen Kosten entstünden.
Nach aktuellen Daten aus der Armutsforschung ist in Deutschland jedes fünfte Kind armutsgefährdet, weil die Eltern monatlich weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung haben. Das sind knapp 2,9 Millionen Mädchen und Jungen, davon rund 1,9 Millionen in Haushalten mit Bürgergeld oder Sozialhilfe.