Demografischer Wandel: Expertin wünscht sich "mutigere Politik"

Demografischer Wandel: Expertin wünscht sich "mutigere Politik"
04.07.2023
epd
epd-Gespräch: Christopher Hechler

Wiesbaden (epd). Die Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB), Katharina Spieß, wünscht sich angesichts des demografischen Wandels und seiner Herausforderungen eine mutigere Politik, die „bessere Kompromisse“ findet. Zum Auftrag des BiB gehört es, die Bundesregierung zum demografischen Wandel zu beraten. Das Institut mit Sitz in Wiesbaden feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Bestehen.

Ein Beispiel dafür, wie wissenschaftliche Beratung von der Politik aufgenommen worden sei, sei der Ausbau von Kindertagesstätten, erläuterte Spieß. Die Wissenschaft habe viele Jahrzehnte auf den wachsenden Bedarf hingewiesen. „Wir sind zwar noch nicht am Ziel, was eine gute flächendeckende Kita-Versorgung angeht, aber wir sind viel weiter als noch 20 Jahren“, sagte die Direktorin.

Anstoß zur Gründung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung gab im Jahr 1973 die Frage, wieso die Geburtenzahlen nach den starken Babyboomer-Jahrgängen in den 1960er Jahren massiv zurückgingen und welche Folgen das habe. Zwar seien die Geburtenzahlen auch heute noch ein wichtiges Thema des BiB, aber über die Jahre seien noch viele Themen hinzugekommen, sagte Spieß.

„Wir schauen etwa, wer Kinderwünsche hat, wie diese beeinflusst werden und ob sie realisiert werden können oder nicht.“ Ein anderes Forschungsgebiet sei, warum die Lebenserwartung in Deutschland im Vergleich der westeuropäischen Länder „eine der niedrigsten ist“. Ein großes Forschungsprojekt beschäftige sich derzeit mit dem Leben der aus der Ukraine geflüchteten Menschen in Deutschland.

Die Bevölkerung in Deutschland ist nach Spieß' Worten in den vergangenen Jahrzehnten „älter, bunter und diverser“ geworden, zum Teil aber auch einsamer. „Der Anteil derjenigen, die alleine in einem Haushalt leben, nimmt zu“, sagte die Direktorin. Während der Corona-Pandemie sei Einsamkeit ein großes Thema gewesen, mit den Folgen kämpfe man noch immer. „Ich würde aber nicht sagen, dass wir insgesamt alle einsamer werden und alles düster zu beschreiben ist.“ Dass Großeltern ihre Enkelkinder betreuen, es also immer noch Unterstützung der Generationen untereinander gebe, habe sich trotz des Kita-Ausbaus nicht geändert.

An diesem Mittwoch richtet das BiB gemeinsam mit dem Statistischen Bundesamt, das seit 75 Jahren besteht, eine Festveranstaltung in Wiesbaden aus. Erwartet werden unter anderen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und OECD-Generalsekretär Mathias Cormann.