Erfurt (epd). Arbeitgeber können in einem Kündigungsschutzverfahren eine im Betrieb vorgenommene offene Videoüberwachung als Beweis für einen Arbeitszeitbetrug anführen. Auch wenn die Videoüberwachung nicht ganz dem Datenschutzrecht entsprochen hat, können die Videoaufnahmen vor Gericht verwertet werden, urteilte am Donnerstag das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt. (AZ: 2 AZR 296/22)
Der aus Niedersachsen stammende Kläger war zuletzt als Teamsprecher in einer Gießerei beschäftigt. Die Eingänge des Werksgeländes waren offen mit Kameras überwacht. Ein Piktogramm wies auf die Videoüberwachung hin. Als der Arbeitgeber einen anonymen Hinweis erhielt, dass der Kläger am 2. Juni 2018 gar nicht seine sogenannte Mehrarbeitsschicht geleistet hatte, wertete er die Videoaufnahmen aus. Dabei stellte er fest, dass der Kläger das Werksgelände vor Schichtbeginn wieder verlassen hatte. Für die vermeintlich geleistete Arbeitszeit hatte der Mann dennoch Lohn erhalten. Der Arbeitgeber kündigte ihm daraufhin fristlos, hilfsweise ordentlich.
Im Kündigungsschutzverfahren meinte der Kläger, dass die Aufnahmen aus der offenen Videoüberwachung gar nicht als Beweismittel hätten verwertet werden dürfen. Der Kläger führte an, dass mit der Videoüberwachung der Arbeitgeber Datenschutzverstöße begangen habe. Dass alle Zugänge gefilmt würden, sei unverhältnismäßig. Die Videos dürften auch nicht so lange gespeichert werden. Hier sei der anonyme Hinweis erst rund ein Jahr nach dem Arbeitszeitverstoß eingegangen.
Das BAG urteilte, dass die Videoaufnahmen im Kündigungsschutzverfahren als Beweismittel verwertet werden können. Voraussetzung hierfür sei, dass es sich um eine offene und damit für alle erkennbare Videoüberwachung gehandelt habe und ein „vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht“. Dann spiele es auch keine Rolle, dass die Überwachung nicht in jeder Hinsicht den Vorgaben des Datenschutzrechts entsprochen hat.
Anderes könne gelten, wenn die offene Videoüberwachung eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung darstellt. Dies kann beispielsweise bei einer Videoüberwachung auf der Toilette sein. Im vorliegenden Fall liege so eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung aber nicht vor.