Berlin (epd). In Ostdeutschland ist laut einer repräsentativen Umfrage nicht einmal jeder zweite zufrieden mit dem aktuellen Zustand der Demokratie. In einer am Mittwoch in Berlin vorgestellten Untersuchung der Universität Leipzig zeigten sich lediglich 42,6 Prozent der Befragten damit zufrieden, wie die Demokratie aktuell in Deutschland funktioniert. Trotz grundlegender Zustimmung zur Demokratie befürworten rund die Hälfte der Befragten eine „starke Partei“, die völkisch definiert wird.
Viele Ostdeutsche fühlten sich von der politischen Teilhabe ausgeschlossen, erläuterte der Sozialpsychologe und Studienleiter Oliver Decker. Fast zwei Drittel der Ostdeutschen (64,6 Prozent) halten es der Studie zufolge für sinnlos, sich politisch zu engagieren. Mehr als drei Viertel (77,4 Prozent) gehen davon aus, ohnehin keinen Einfluss darauf zu haben, „was die Regierung tut“.
Laut Umfrage stimmt jeder Zweite in den ostdeutschen Ländern der Aussage zu, dass Deutschland eine „starke Partei“ brauche, die die „Volksgemeinschaft“ insgesamt verkörpere. Die Forscher ermittelten hier Werte von 26,3 Prozent mit einer manifesten Zustimmung und 24,9 Prozent mit einer latenten, also zumindest teilweisen Zustimmung.
Decker bescheinigte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Umfrage, dass sie sich „nicht mehr demokratische Teilhabe und Sicherung der demokratischen Grundrechte wünschen, sondern die scheinbare Sicherheit einer autoritären Staatlichkeit“. Ausgeprägt sei die Zustimmung vor allem in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. „Hier ist damit das Potential für extrem-rechte und neonazistische Parteien, Wähler zu finden, besonders hoch.“
Seit 2002 veröffentlichen die Leipziger Forscher „Autoritarismus-Studien“ zu politischen Einstellungen in Deutschland. Für die aktuelle Studie wurden 3.546 Menschen in den fünf ostdeutschen Ländern und im Ostteil Berlins befragt. Die Umfragen fanden zwischen Mai und September 2022 statt. Die Befragten hatten jeweils fünfstufige Antwortmöglichkeiten. Diese reichten von „Lehne völlig ab“ bis zu „Stimme voll und ganz zu“.
Auch mehr als 30 Jahre nach Mauerfall und Wiedervereinigung fehle es an Demokratie-Erfahrungen, hieß es weiter. Während sich laut Umfrage knapp ein Viertel der Befragten (23,6 Prozent) als „Verlierer der deutschen Einheit“ bezeichneten, gab knapp die Hälfte (45,6 Prozent) an, sich „als Gewinner der deutschen Einheit“ zu fühlen.
Sozialpsychologe Elmar Brähler betonte als einer der Studienleiter, „statt pluralistischer Interessenvielfalt wird eine völkische Gemeinschaft gewünscht“. Die Studie ergab auch eine hohe Zustimmung zu anderen rechtsextremen Aussagen. So würden ausländerfeindliche Aussagen nur von einer Minderheit der Befragten abgelehnt, hieß es weiter. Elemente der „Neo-NS-Ideologie“, antisemitische und sozialdarwinistische Statements fänden ebenfalls Zustimmung - ein Drittel der Bevölkerung stimme ihnen vollständig oder teilweise zu. Mehr als die Hälfte der Menschen mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild (57,8 Prozent) würden laut der Umfrage die AfD wählen.