"taz"-Chefin: Wirbel um Nannen-Preis hat auch was Gutes

"taz"-Chefin: Wirbel um Nannen-Preis hat auch was Gutes
Die Chefredakteurin der "tageszeitung", Ines Pohl, erhofft sich nach dem erneuten Wirbel um die Vergabe des Henri-Nannen-Preises eine Debatte über Qualitätsjournalismus. "Die Aufregung hat auch etwas Gutes", sagte Pohl, die als Jury-Mitglied an der Preisvergabe beteiligt war, am Samstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Denn eine solche Debatte könne der Branche nur gut tun.
12.05.2012
epd
Karsten Frerichs

Die Redakteure Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch von der "Bild"-Zeitung waren am Freitagabend in Hamburg für die Berichterstattung über die Kreditaffäre von Ex-Bundespräsident Christian Wulff mit dem Nannen-Preis ausgezeichnet worden. Weil drei geheime Abstimmungen in der Jury jeweils ein Patt ergeben hatten, sollten auch Hans Leyendecker, Klaus Ott und Nicolas Richter von der "Süddeutschen Zeitung" für ihre Recherchen zur Korruptionsaffäre bei der Bayern LB geehrt werden.

Leyendecker lehnte die Auszeichnung stellvertretend für seine Kollegen jedoch mit Hinweis auf den Preis für das Boulevardblatt ab. Bereits im vergangenen Jahr hat René Pfister vom "Spiegel" seinen Reportage-Preis wieder abgeben müssen, weil er Details seiner Darstellung zur Modelleisenbahn des bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) lediglich aus Erzählungen entnommen hatte.

Der Wirbel um den Nannen-Preis mache deutlich, dass die Kriterien für die renommierte Auszeichnung schärfer gefasst werden müssen, sagte Pohl dem epd. Das gelte möglicherweise auch für andere Journalistenpreise.

Grundsätzlich seien Auszeichnungen für Journalisten jedoch wichtig, um zu motivieren und Wertschätzung zu äußern. Außerdem würden Verlage und Sender mittels Preisvergaben dazu angehalten, Qualitätsjournalismus zu unterstützen.

Der Wettstreit um Auszeichnungen dürfe jedoch nicht dazu führen, dass sich Journalisten nur noch mit sich selbst beschäftigen, warnte die "taz"-Chefredakteurin: "Wir dürfen nicht mehr Energie für die Arbeit in Jurys aufbringen als für guten Journalismus."