Berlin (epd). Deutschland will mehr internationale Fachkräfte ins Land holen. Der Bundestag hat am Freitag in Berlin mit den Stimmen der Regierungs-Koalition ein neues Fachkräfte-Einwanderungsgesetz beschlossen. Es ermöglicht erstmals Einwanderung nach einem Punktesystem. Ein Jahr lang haben Interessierte aus Nicht-EU-Ländern künftig Zeit, in Deutschland eine Arbeit zu finden. Die Union und die AfD lehnten das Gesetz ab, die Linksfraktion enthielt sich der Stimme. Der Abstimmung war eine kontroverse Debatte vorangegangen.
Eine zweite zentrale Änderung der bisherigen Regeln ist, dass Zuwanderer ihre Abschlüsse in Deutschland anerkennen lassen oder nachholen können, wenn sie bereits hier arbeiten. Mehr Gewicht wird außerdem auf die Anwerbung von Berufsanfängern mit Hochschulabschluss sowie von erfahrenen Fachkräften gelegt.
Die stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) bezeichnete das Gesetz als „Mogelpackung“. Es würden nicht mehr qualifizierte Arbeitskräfte kommen. Vielmehr werde „die Zuwanderung von Geringqualifizierten aus aller Welt“ gefördert „und ein neues Bleiberecht für Ausreisepflichtige“ geschaffen, kritisierte sie mit Blick auf den „Spurwechsel“ für Asylbewerber. Asylbewerber, die zum Stichtag 29. März 2023 im Asylverfahren waren und bereits hier arbeiten, können sich künftig um einen Daueraufenthalt als Fachkräfte bewerben. Lindholz warf der Regierung vor, damit neue Anreize für illegale Zuwanderung zu setzen.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) entgegnete der Union, beruflich qualifizierte Menschen aus anderen Ländern seien keine Minderqualifizierten. Deutschland brauche nicht nur Akademiker. Zugleich räumte Heil ein, dass auch das modernste Einwanderungsgesetz nicht helfe, „wenn wir nicht besser werden bei den Verfahren“.
Die Fachkräftegewinnung aus dem Ausland scheitere nicht an Bewerbern, sondern an bürokratischen Verfahren und überlangen Wartezeiten in den Visastellen, kritisierte der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Stracke (CSU). Statt einer Absenkung des Niveaus brauche man mehr Tempo in den Verfahren. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Konstantin Kuhle sagte hingegen, die neuen Regeln machten auch für kleine und mittlere Betriebe einen Unterschied, wenn sie ausländische Fachkräfte einstellen wollten. Das Gesetz sei der Beginn einer großen Einwanderungsreform, mit der die Koalition auch die Modernisierung der Migrationsverwaltung angehen werde, sagte Kuhle.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, Deutschland bekomme „eins der modernsten Einwanderungsgesetze der Welt.“ Fachkräfte fehlten überall, von der Pflege bis hin zur öffentlichen Verwaltung. Im Jahr 2022 habe es fast zwei Millionen offene Stellen gegeben. Die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Lamya Kaddor, verteidigte den Spurwechsel für Asylbewerber, die bereits in Deutschland arbeiten und gebraucht würden. Menschen aus dem Ausland, die in Deutschland arbeiten wollten, müsse statt Herabsetzung Respekt entgegengebracht werden, damit sie sich willkommen fühlten, forderte Kaddor.
Die Linksfraktion begrüßte zwar die Erleichterungen für Einwanderer, kritisierte aber, die Koalition tue zu wenig, um die Ausbeutung ausländischer Arbeitskräfte zu verhindern. Die AfD lehnte jede Form der Einwanderung ab. Deutschland sei kein Einwanderungsland, sagte der Vize-Fraktionsvorsitzende Norbert Kleinewächter.
Das Gesetz muss noch vom Bundesrat gebilligt werden. Die Länderkammer muss einigen der neuen Regelungen zustimmen, damit sie in Kraft treten können. Nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz stimmte der Bundestag am Mittag auch dem Weiterbildungsgesetz von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zu. Damit soll die staatliche Förderung von Weiterbildungen verstärkt und eine Ausbildungsgarantie eingeführt werden, um auch im Inland neue Fachkräfte zu qualifizieren oder nachzuqualifizieren.