Berlin (epd). Die unabhängige Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus hält eine Erforschung des Dunkelfelds sexueller Gewalt für unverzichtbar, um Kinder und Jugendliche künftig besser zu schützen. Es sei ein Skandal, dass es bis heute keine verlässlichen Daten gebe, sagte Claus am Donnerstag in Berlin. Wenn sie diese Daten nicht bekomme, fehle dem Bericht, den sie künftig an den Bundestag erstatten soll, die Grundlage, sagte sie.
Die sogenannte Prävalenzforschung, für die Claus ein Zentrum errichten will, das regelmäßig über Befragungen Auskunft über das Ausmaß sexualisierter Gewalt an Minderjährigen gibt, gehört zu den zentralen Forderungen der Missbrauchsbeauftragten. Die Kosten für das Zentrum schätzt Claus auf 1,7 Millionen Euro pro Jahr. Nach ihren Vorstellungen soll es eine flächendeckende Befragung in den neunten Klassen aller Schulformen geben.
Sie sei in politischen Gesprächen, um die Forschung im Zuge der Haushaltsverhandlungen und der parlamentarischen Beratungen über eine gesetzliche Grundlage für ihr Amt zu erreichen, sagte Claus. SPD, Grüne und FDP wollen das Amt der Missbrauchsbeauftragten durch ein Gesetz stärken, das auch eine Berichtspflicht an den Bundestag umfassen soll.
Die Direktorin des Deutschen Jugendinstituts, Sabine Walper, erläuterte, man könne heute bei der Entwicklung von Präventionskonzepten nur auf rückblickende Befragungen von Erwachsenen zurückgreifen, die als Kinder und Jugendliche Opfer sexueller Gewalt wurden. „Wir laufen damit immer der Zeit hinterher“, sagte sie. Zudem sei die Aussagekraft begrenzt. Um aktuell Betroffenen helfen zu können, benötige man Daten zur aktuellen Situation.
Ilka Kraugmann, Mitglied im Betroffenenrat der Missbrauchsbeauftragten, warf der Politik vor, die Bedeutung der Forschung bislang zu ignorieren. Die Dunkelfeldforschung wäre ein Ausdruck „des längst überfälligen politischen Willens, hinzuschauen und es endlich genau wissen zu wollen“, sagte sie.
Laut polizeilicher Statistik wurden im vergangenen Jahr rund 15.500 Fälle sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in Deutschland registriert. Auch das Bundeskriminalamt geht allerdings davon aus, dass die Zahl nicht erkannter und zur Anzeige gebrachter Fälle weit höher ist.