Sexueller Missbrauch: Erzbistum Köln muss Opfer 300.000 Euro zahlen

Sexueller Missbrauch: Erzbistum Köln muss Opfer 300.000 Euro zahlen
Das Erzbistum Köln muss laut einem Urteil des Landgerichts Köln einem ehemaligen Messdiener, der von einem Priester in mehreren Hundert Fällen missbraucht wurde, 300.000 Euro zahlen. Opfervertreter erwarten eine Signalwirkung durch die Entscheidung.

Köln (epd). Wegen des langjährigen sexuellen Missbrauchs durch einen katholischen Priester muss das Erzbistum Köln dem Betroffenen ein Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro zahlen. Das Landgericht Köln sah es am Dienstag als erwiesen an, dass der heute 64 Jahre alte Kläger als Messdiener von dem Priester in den 1970er-Jahren in mehreren Hundert Fällen missbraucht worden war. Bei dem Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist, handelt es sich Einschätzungen zufolge um die erste Klage dieser Art gegen ein katholisches Bistum in Deutschland. (AZ.: 5 O 197/22) Der Fall ist überdies ungewöhnlich, da der beschuldigte Geistliche bereits tot ist und die Taten aus juristischer Sicht eigentlich verjährt sind.

Das Erzbistum Köln begrüßte die Entscheidung. „Ich bin froh und dankbar, dass das Gericht mit seiner Entscheidung zur Klarheit in diesem Fall beigetragen hat“, sagte Kardinal Rainer Maria Woelki. Sexueller Missbrauch sei „ein Verbrechen, dessen Folgen die Betroffenen oft ein ganzes Leben lang beeinträchtigen, beziehungsweise begleiten“.

In seiner Urteilsbegründung folgte das Gericht den Ausführungen der Klägerseite. Zudem waren die Vorwürfe unstrittig, da der Priester die Taten vor seinem Tod zugegeben hatte. Der Geistliche hätte den Kläger als Jungen in den 1970er-Jahren in mindestens 320 Fällen sexuell missbraucht - die Taten ereigneten sich unter anderem bei Ministrantenfreizeiten in der Eifel. Die Vorfälle sind auch im Gutachten der Kanzlei Gercke-Wollschläger aufgeführt, das die Vielzahl an Fällen sexuellen Missbrauchs im Erzbistum auflistet.

Obwohl der Täter verstorben und die Taten verjährt sind, verklagte der Anwalt des Betroffenen das Erzbistum in dem Zivilverfahren mit Verweis auf die sogenannten Amtshaftung der Kirche als öffentlich-rechtliche Institution. In einem Zivilprozess muss die beklagte Institution demnach aktiv die Verjährung der Taten geltend machen. Das habe das Erzbistum aber unterlassen - offenbar aus moralischen Gründen und um auch weitere Anerkennungszahlungen an Betroffene leisten zu können.

Der Kläger, der im Erzbistum Köln angestellt ist, erhielt eine solche Zahlung in Höhe von 25.000 Euro. Diese Zahlung wird von der Schmerzensgeldsumme abgezogen. Als Folge des jahrelangen Missbrauchs leidet er nach eigenen Angaben unter Schlafstörungen, Migräne und Neurodermitis. In dem Verfahren hatte der Kläger ein Schmerzensgeld und eine Entschädigung in Höhe von rund 800.000 Euro gefordert. Zudem verurteilte das Gericht das Erzbistum dazu, künftige Behandlungskosten des Klägers zu übernehmen, die als Folge des Missbrauchs auftreten sollten.

„Das Erzbistum Köln übernimmt für dieses erlittene Unrecht und Leid institutionelle Mitverantwortung“, sagte Woelki. Deswegen habe das Erzbistum auch entschieden, die Verjährung der Taten nicht zu beantragen. Auch der Vortrag des Klägers sei im Prozess nicht bestritten worden.

Der katholische Priester selbst wurde im Jahr 2014 mit Berufsverbot, Entzug des Titels und Geldstrafe belegt. Zudem erging gegen ihn die Auflage, sich künftig nicht mehr Kindern zu nähern.

Als „wichtiges Signal für Tausende ähnlich gelagerte Fälle in Deutschland“ wertete der Verein „Eckiger Tisch“ die Entscheidung des Gerichts: „Die Kirche haftet für die Verbrechen ihrer Priester, Bischöfe und Ordensvorgesetzten.“

„Bisher hat die Kirche sich beharrlich geweigert, mit Betroffenenvertretern über eine angemessene Entschädigung zu sprechen und einen Kompromissvorschlag, der 2019 von Expertinnen im Auftrag der Bischofskonferenz erarbeitet worden war, schlicht beiseitegeschoben“, erklärte der Verein, der die Interessen von Betroffenen sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen vor allem im Kontext der katholischen Kirche vertritt. Das Urteil sei ein Beleg dafür, dass „die Vertreter der katholischen Kirche seit mehr als einem Jahrzehnt die Opfer hingehalten und versucht haben, sie mit symbolischen Zahlungen ruhigzustellen - im Wissen, dass die Zeit gegen die Betroffenen und für die Kirche arbeitet“.