Nürnberg (epd). Der kirchenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, hat eine Kultur des Hinsehens bei Missbrauchsfällen gefordert. „Wir brauchen keine Kultur des Hindeutens, sondern eine Kultur des Hinsehens“, sagte er am Samstag auf dem 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Nürnberg.
Castellucci sagte, Missbrauch sei nicht nur im Raum der Kirche geschehen. Man müsse klar sagen, dass die meisten Taten im familiären Umfeld stattgefunden hätten. Der SPD-Politiker forderte, die Selbstorganisation von Betroffenen sexualisierter Gewalt müsse unterstützt werden. Er schlug eine Stiftung für Opfer sexualisierter Gewalt auf Bundesebene vor, die sich für die Interessen der Betroffenen einsetzt. Der Staat müsse den Rahmen für die Kriterien der Aufarbeitung in Institutionen setzen.
Der Professor für Soziale Arbeit, Martin Wazlawik, wies Worte des Kirchentagspräsidenten Thomas de Maizière zurück, der der Wochenzeitung „Zeit“ gesagt hatte, vermutlich habe der sexuelle Missbrauch in der evangelischen Kirche nicht das Ausmaß wie in der katholischen Kirche.
Wazlawik leitet die Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), deren Ergebnisse für Herbst erwartet werden. „Wir wissen das schlicht nicht“, sagte Wazlawik. Es gebe keine repräsentativen Studien. Die Zahlen seien nicht abstrakt, sondern hinter jeder Zahl verberge sich eine Biografie. Es sei daher wichtig, auf die spezifischen Risikofaktoren für Missbrauch in der evangelischen Kirche zu schauen. Castellucci und Wazlawik nahmen am Thementag Macht-Missbrauch-Verantwortung auf dem Kirchentag teil.