Berlin (epd). Zum 30. Jahrestag des Solinger Brandanschlags hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) vor der Gefahr durch gewaltbereite Rechtsextremisten gewarnt. Die Lehren aus Solingen könnten nicht aktueller sein, sagte Faeser den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag Online / Dienstag Print). „Der Rechtsextremismus ist die größte extremistische Gefahr für unsere Demokratie - und für Menschen in unserem Land.“
Im vergangenen Jahr seien 41 Prozent aller Opfer politisch motivierter Gewalttaten von rechtsmotivierten Gewalttätern angegriffen worden, sagte Faeser den Zeitungen weiter. Die Zahl der rechtsextremistischen Gewalttaten sei im letzten Jahr erneut um zwölf Prozent gestiegen. Vor allem Attacken auf Geflüchtete hätten zugenommen.
Die Bundesinnenministerin rief zu einem entschlossenen Handeln gegen Rechtsextremismus auf. „Dazu gehören gut ausgestattete und äußerst wachsame Sicherheitsbehörden auf der einen Seite, und eine lebendige und vielfältige Zivilgesellschaft auf der anderen Seite“, sagte sie. „Und dazu gehört vor allem, anders als 1993: Empathie für die Betroffenen rechtsextremer Gewalt.‘“
Faeser gibt der ehemaligen Bundesregierung unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) eine Mitverantwortung für den Brandanschlag 1993 in Solingen. Er sei „keineswegs aus dem Nichts“ gekommen, sagte Faeser den Funke-Zeitungen. „Nach den rechtsextremistischen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda, nach dem Mordanschlag von Mölln nur kurz zuvor hat die damalige Bundesregierung nicht mit aller Klarheit und Deutlichkeit gehandelt, um den mörderischen Rechtsextremismus zu stoppen“, kritisierte sie.
Die Kohl-Regierung habe „dem Hass nichts entgegengesetzt, keine rote Linie gezogen“, sagte Faeser weiter. Debatten über Migration seien mit Sprüchen wie „Das Boot ist voll“ auf dem Rücken von Menschen ausgetragen worden. „Das ist für den deutschen Staat bis heute beschämend.“
Bei dem Brandanschlag von vier jungen Männern aus der Neonazi-Szene auf das Haus der türkischstämmigen Familie Genç waren am 29. Mai 1993 zwei Frauen und drei Mädchen getötet worden, weitere Familienmitglieder wurden teils lebensgefährlich verletzt.