Experte: Initiative aus Afrika könnte Weg für Ukraine-Gespräche ebnen

Experte: Initiative aus Afrika könnte Weg für Ukraine-Gespräche ebnen
27.05.2023
epd
epd-Gespräch: Natalia Matter

Frankfurt a.M. (epd). Die afrikanische Friedensinitiative für die Ukraine kann nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Henning Melber den Weg für Verhandlungen ebnen. Die geplanten Treffen mit Russland und der Ukraine könnten den Krieg nicht beenden. „Da muss man vor überzogenen Erwartungen warnen“, sagte der Afrikanist dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Aber die afrikanischen Länder können vielleicht dazu beitragen, dass die Konfliktparteien miteinander reden und dann einflussreichere und besser vernetzte Länder wie die Türkei die eigentlichen Verhandlungen führen können.“

Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa hatte Mitte Mai angekündigt, bald zusammen mit den Staatschefs von Sambia, Senegal, Kongo-Brazzaville, Uganda und Ägypten nach Russland und in die Ukraine zu reisen, um zu einer Beilegung des Konfliktes beizutragen.

Der Krieg treffe Afrika schwer, sagte Melber, der an verschiedenen Universitäten in Europa und Afrika lehrt. „Das alleine ist Motiv genug, aus afrikanischer Sicht diese Initiative zu verfolgen.“ Dem Westen stehe es nicht zu, dies zu kritisieren oder gar zu belächeln. „Die Grundhaltung müsste sein, jede Initiative zu begrüßen, besonders von afrikanischen Ländern, denen immer wieder vorgehalten wird, gegen Neutralitätsgebote zu verstoßen.“ Es wäre auch falsch zu sagen, der Vorstoß wäre gescheitert, wenn innerhalb der nächsten drei Monate kein Friedensgespräch zustande kommt.

Die Kritik, dass dreien der sechs beteiligten afrikanischen Präsidenten selbst gravierende Menschenrechtsverbrechen vorgeworfen werden, lässt Melber nicht gelten. „Ist das erheblich für eine solche Initiative? Wenn sie dazu beiträgt, Verhältnisse zu befördern, in denen die Konfliktparteien eher miteinander reden, ist es doch egal, wie demokratisch diese Länder sind.“ Bei anderen Konflikten lege der Westen solche Maßstäbe auch nicht an.

Diese doppelten Maßstäbe des Westens trügen auch dazu bei, dass die afrikanischen Staaten sich nicht uneingeschränkt auf die Seite der Ukraine stellen. Der Westen habe bestimmte Aggressionskriege und Invasionen gerechtfertigt und Kritik etwa zu seinem Agieren in Syrien oder dem Irak abgetan. „Aus Sicht der Afrikaner, die über Generationen immer nur gesagt bekommen haben, was sie zu tun haben, ist das ein Akt des Widerstands.“

Leider führe das nun dazu, dass auch die afrikanischen Länder mit doppelten Maßstäben argumentierten, kritisierte Melber. Denn in der Charta der Afrikanischen Union sei die territoriale Integrität als fundamentales Prinzip festgehalten. „Und die wird in der Ukraine verletzt.“ Zugleich gebe zumindest Südafrika mit verschiedenen Aktionen - zuletzt mit der Vermutung, dass es Waffen an Russland liefere - Anlass dafür, an seiner Neutralität zu zweifeln. „Es gibt Werte, die sind nicht verhandelbar. Selbst wenn der Westen gegen sie verstößt, ist das keine Entschuldigung für Afrika, es ebenfalls zu tun.“