Historiker Oltmer fordert europäische Migrationsunion

Historiker Oltmer fordert europäische Migrationsunion
26.05.2023
epd
epd-Gespräch: Von Martina Schwager

Osnabrück (epd). Der Osnabrücker Migrationsforscher Jochen Oltmer hat eine europäische Migrationsunion und eine Abkehr vom Dublin-System gefordert. Analog zur Währungsunion sei ein gemeinsames Flüchtlings- und Asylsystem notwendig, sagte der Historiker am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Bedingungen für das Recht auf Asyl müssten innerhalb einer solchen Union einheitlich und transparent formuliert werden. Ansonsten werde die EU mit ihrer Flüchtlingspolitik in der Sackgasse verharren.

Die vergangenen 20 Jahre hätten gezeigt, dass ein Solidaritätsmechanismus zur gerechten Verteilung der Flüchtlinge innerhalb des Dublin-Systems nicht zustande kommen werde, sagte Oltmer. Nicht nur die Mittelmeer-Anrainer seien unzufrieden mit dem System, wonach die Menschen in den Staaten einen Asylantrag stellen müssen, in denen sie erstmals europäischen Boden betreten und registriert werden. „Alle Beteiligten wissen, dass es Solidarität in diesem Bereich nicht geben wird.“

Trotzdem erkläre jede Bundesregierung von Neuem, dass sie sich um Solidarität bemühen werde, beklagte der Vizepräsident der Uni Osnabrück. Auch bezüglich der aktuellen Diskussionen um eine Verlagerung von Asylverfahren an die europäischen Außengrenzen oder um beschleunigte Abschiebungen sei von vornherein klar, dass sie sich nicht umsetzen ließen. Trotzdem würden solche Vorschläge immer wieder hervorgeholt. „Das ist gewissermaßen eine Simulation von Politik.“

Oltmer kritisierte zudem, dass in Deutschland bezüglich der Aufnahme von Flüchtlingen noch immer ein Gipel- und Notfallmodus vorherrsche. „Damit wird suggeriert, die zunehmende Zahl der Schutzsuchenden stelle uns vor nicht zu stemmende Herausforderungen. Das trägt dazu bei, dass viele Menschen in der Bundesrepublik zu der Auffassung gelangen, das seien jetzt zu viele Flüchtlinge. Wir müssen anerkennen, dass Flucht in Deutschland ein Dauerthema bleiben wird.“

Dementsprechend erwarte er, dass Bund, Länder und Kommunen zu regulären Abstimmungs- und Finanzierungswegen für die Aufnahme von Flüchtlingen kämen, sagte der Historiker. Nur dann seien die Kommunen in der Lage, genügend Kapazitäten für die Unterbringung vorzuhalten. Stattdessen werde immer wieder auf Flüchtlingsgipfeln über Notfallhilfen verhandelt.