Solidarität mit Protesten gegen Kulturstaatsministerin Roth

Solidarität mit Protesten gegen Kulturstaatsministerin Roth
Kulturstaatsministerin Claudia Roth wurde beim jüdischen Gesangswettbewerb "Jewrovision" ausgebuht und ausgepfiffen. Ein Sprecher von Roth stellt das als Ausdruck lebendiger Demokratie dar. Verbände solidarisieren sich mit den Protesten.

Frankfurt am Main (epd). Der Zentralrat der Juden in Deutschland und führende Vertreter der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) stellen sich hinter Kritik an Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne). Anlass ist der jüdische Musikwettbewerb „Jewrovision“ am Freitag in Frankfurt am Main, bei dem die Politikerin nach Darstellung beider Institutionen ausgebuht und ausgepfiffen wurde, als sie ein Grußwort halten wollte. Zentralrat wie DIG zeigten am Sonntag Verständnis für die Proteste gegen Roth. Bei der DIG war sogar von einem „zerrütteten Verhältnis“ zwischen Roth und jüdischen Verbänden die Rede.

Ein Sprecher der Kulturstaatsministerin entgegnete in einer Stellungnahme, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt, Roth habe „ein sehr gutes Verhältnis zu sehr vielen Menschen, die das jüdische Leben in Deutschland heute repräsentieren und prägen, und pflegt einen engen Austausch mit ihnen“.

Beim Musikwettbewerb „Jewrovision“, bei dem Roth auf Einladung des Präsidenten des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, vor Ort war, habe sie teilnehmende Jugendlichen vor deren Auftritt besucht, hieß es. Ihrem Sprecher zufolge war dies „ein sehr guter und spannender Austausch“. Dass es bei ihrem Grußwort auch einige Menschen im Saal gegeben habe, „die mit der Politik und der politischen Ausrichtung der Staatsministerin nicht einverstanden sind und das auch lautstark zum Ausdruck gebracht haben“, sei in einer lebendigen Demokratie völlig normal und gehöre dazu.

In einer Stellungnahme des Zentralrats, über die der Berliner „Tagesspiegel“ in seiner Montagausgabe berichtet, heißt es hingegen, bei der „Jewrovision“ 2023 habe sich lange aufgestauter Frust „deutlich entladen“. Dies sei eine Konsequenz der Entwicklungen im deutschen Kulturbetrieb der vergangenen Jahre. Der Zentralrat habe immer wieder auf Missstände hingewiesen. Es müsse sich „jetzt erkennbar etwas ändern, damit jede Form von Antisemitismus aus dem deutschen Kulturbetrieb nachhaltig verbannt wird“.

Dem „Tagesspiegel“ zufolge gilt das Verhältnis von Roth zu Teilen der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland als „mindestens angespannt“. Gründe dafür seien unter anderem, dass die Kulturstaatsministerin im vergangenen auf den Antisemitismus-Skandal bei der Kasseler Kunstschau Documenta spät und relativierend reagiert habe. 2019 habe Roth zudem im Bundestag nicht für eine Resolution gestimmt, die den Boykott israelischer Waren als antisemitisch verurteilte.

Vertreter der Deutsch-Israelischen Gesellschaft solidarisierten sich ebenfalls mit den Protestierenden bei der Musikveranstaltung. „Die jungen Menschen mit jüdischem Hintergrund haben Frau Roth ein sehr ehrliches Echo auf ihre Arbeit gegeben“, betonte der DIG-Vizepräsident und FDP-Politiker Marcus Faber. Er äußerte auch grundsätzliche Kritik. „Das Verhältnis zwischen Frau Roth und den Juden in Deutschland ist gestört“, erklärte Faber. Die Ministerin solle „das Gespräch mit den jüdischen Verbänden in Deutschland suchen, um das zerrüttete Verhältnis zu reparieren“.

Constantin Ganss, Vorsitzender des Jungen Forums in der DIG, sagte dem „Tagesspiegel“, es reiche nicht, „sich nur um tote Juden zu kümmern“. Um dies deutlich zu machen, hätten die jungen jüdischen Menschen bei der „Jewrovision“ gegen Roth protestiert. Auch vom Koalitionspartner SPD kam Kritik: Der Vorsitzende des jüdische Arbeitskreises in der Partei, Abraham de Wolf, sagte dem „Tagesspiegel“, Roth sei „mit dem Antisemitismus der Documenta voll auf die Nase gefallen“.