Bevölkerungsforscher: Demografiegipfel fehlt das Konzept

Bevölkerungsforscher: Demografiegipfel fehlt das Konzept
Der Direktor des "Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung", Reiner Klingholz, sieht den Demografiegipfel der Bundesregierung am Donnerstag skeptisch.
03.10.2012
epd
Ann Kathrin Sost

Er rechne mit keinen nennenswerten Ergebnissen, sagte Klingholz dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Es brauche eine klare Analyse der Lage angesichts der alternden und schrumpfenden Gesellschaft in Deutschland sowie klare Zielvorgaben, wo es hingehen solle. Diese lasse die Bundesregierung bisher nicht erkennen.

Als drängende Problemfelder nannte Klingholz unter anderem die Familienpolitik. Der Ausbau der Kinderbetreuung sei bisher der "einzige registrierbare Erfolg". Das geplante Betreuungsgeld sei kontraproduktiv angesichts der Tatsache, dass künftig mehr Frauen im Arbeitsleben gebraucht würden. Der Bevölkerungsforscher forderte außerdem eine bessere finanzielle Absicherung von Familien, etwa durch ein Familiensplitting, bei dem die Anzahl der Kinder in die Steuerberechnung mit einfließt.

"Zuschussrente geht in richtige Richtung"

Zum Thema Rente sagte Klingholz, der "Schnellschuss" von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) für eine Zuschussrente gehe in die richtige Richtung. "Die Rente wird in Zukunft für die meisten nicht mehr als eine Grundversorgung sein und das hat sie ausgesprochen." Bisher fehle ein Rentenkonzept für die Zukunft.

Ein ebenso drängendes Thema ist aus Sicht des Instituts-Chefs die Bildung. Es dürfe angesichts der schrumpfenden Bevölkerung nicht sein, dass bis zu einem Fünftel der jungen Leute keine oder nur geringe berufliche Qualifikationen aufweise. Auch das "lebenslange Lernen", also die berufliche Weiterqualifizierung, werde bisher vernachlässigt. Da die Arbeitnehmerschaft künftig immer älter werde, sei aber Fortbildung umso wichtiger, um innovativ bleiben zu können.

Merkel lässt Widersprüche zu

Die Ende April im Bundeskabinett verabschiedete Demografiestrategie sei lediglich ein "Sammelsurium von Programmen und Progrämmchen, die es schon gibt". Aus Angst vor den Wahlen lasse Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Widersprüche in der Strategie zu. So werde darin immer noch von einem stetigen Wachstum ausgegangen. Dies sei aber in einer schrumpfenden Gesellschaft nicht mehr möglich, betonte der Demografie-Experte. Auch das Thema Zuwanderung werde nur zur Versorgung bei "Engpässen" angesprochen, obwohl mittelfristig immer größere Lücken in den Belegschaften drohten.

Klingholz forderte eine strategische Stelle im Kanzleramt, die sich mit dem Thema des demografischen Wandels befasse. Denn ein Herzensthema von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sei dies nicht. Ohne einen wirklichen Einsatz für alle Fragen der sich verändernden Gesellschaft werde das Thema aber nicht zu der Querschnittsaufgabe, die es sein müsse, sagte er.