Genf, Port Sudan (epd). Fast eine Million Menschen sind nach UN-Schätzungen durch den seit vier Wochen andauernden Konflikt im Sudan vertrieben worden. Nahezu 200.000 Menschen seien vor den Kämpfen zwischen Armee und Milizionären in andere Länder der Region geflohen, sagte die Sprecherin des UN-Hilfswerks UNHCR, Olga Sarrado, am Freitag in Genf. Jeden Tag flüchteten Menschen ins Ausland. Knapp 740.000 Menschen sind zudem laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) innerhalb des afrikanischen Landes auf der Flucht.
IOM-Sprecher Paul Dillon sagte, die Zahl der Binnenflüchtlinge erhöhe sich möglicherweise ständig weiter. Nach Schätzungen des UNHCR sind auch 368.000 Kinder innerhalb des Sudans auf der Flucht. Die Exekutivdirektorin des UN-Kinderhilfswerks Unicef, Catherine Russell, sprach von katastrophalen Auswirkungen des Konflikts für Kinder. „Tausende haben schwere traumatische Ereignisse erlebt oder mussten auf der Suche nach Sicherheit aus ihrem Zuhause fliehen“, erklärte Russell. Sie bräuchten dringend internationale humanitäre Hilfe.
Unterdessen würdigte der UN-Sonderbeauftragte für den Sudan, Volker Perthes, eine humanitäre Einigung der Konfliktparteien in dem Land als ersten wichtigen Schritt. Die von beiden Seiten akzeptierte Erklärung müsse nun umgesetzt werden, sagte Perthes. Zuvor hatten sich die Armee und die paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) darauf geeinigt, humanitäre Hilfe möglich zu machen und die Zivilbevölkerung zu schützen. Eine entsprechende Erklärung der Konfliktparteien veröffentlichte die Zeitung „Sudan Tribune“ am Freitag.
Nächstes Ziel müsse ein Waffenstillstand zwischen der sudanesischen Armee und der RSF-Miliz sein, betonte Perthes, der seinen Sitz wegen der Kämpfe in der Hauptstadt Khartum derzeit in der Hafenstadt Port Sudan hat. Seit vergangenem Wochenende verhandeln die gegnerischen Parteien unter Vermittlung Saudi-Arabiens und der USA in der saudi-arabischen Hafenstadt Dschidda.
Laut der nun erzielten Einigung sollen sich die Truppen aus kritischer Infrastruktur wie Wasser- und Elektrizitätswerken sowie Krankenhäusern zurückziehen. Die Gesundheitsversorgung ist seit Beginn der Kämpfe Mitte April stark eingeschränkt, weil viele Krankenhäuser gerade in der Hauptstadt bei Luftangriffen zerstört wurden oder keine Medikamente mehr haben. Vorratslager von Hilfsorganisationen wurden geplündert, Helferinnen und Helfer getötet.
Hintergrund der Gewalt ist ein Machtkampf zwischen Armee-Chef General Abdul Fattah Al-Burhan und dem Befehlshaber der paramilitärischen RSF-Miliz, Mohamed Hamdan Dagalo. Seither sind laut offiziellen Angaben mehr als 600 Menschen getötet und über 5.000 verletzt worden. Die tatsächliche Zahl könnte jedoch weit höher liegen.