Berlin (epd). Bei der Evakuierungsaktion aus Afghanistan im Sommer 2021 sind nach Angaben eines Zeugen im Bundestags-Untersuchungsausschuss aus ungeklärten Gründen nur wenige afghanische Ortskräfte der Bundeswehr ausgeflogen worden. Wie der damals für das Ortskräfteverfahren zuständig Oberstleutnant am Donnerstag in Berlin sagte, konnte von allen Beteiligten ihm bis heute niemand stichhaltig erklären, warum nicht mehr Ortskräfte ausgeflogen wurden. Diese Episode lasse ihn „ratlos zurück“.
Unter den mehr als 5.000 ausgeflogenen Menschen seien lediglich 30 Ortskräfte mit ihren Familien gewesen. Dass viele andere Ortskräfte trotz großer Bemühungen aus Deutschland nicht auf das Flughafengelände in Kabul gelangt seien, habe für „deutlichen Unmut“ auf der Leitungsebene des Verteidigungsministeriums geführt. Der Zeuge, dessen Name ungenannt bleiben sollte, war nach eigenen Angaben fast zehn Jahre mit dem Schutz von Ortskräften der Bundeswehr befasst. Während der Evakuierungsoperation sei er durchgehend im Lagezentrum eingesetzt und in ständigem Austausch mit den verantwortlichen Stellen gewesen.
Die Bundeswehr sei sich der besonderen Verantwortung für ihre Ortskräfte bewusst, betonte der Oberstleutnant. Doch habe das Verteidigungsministerium die Rolle des „Bittstellers“ gegenüber dem Bundesinnenministerium und dem Außenministerium innegehabt, wenn es um Visa für die Ausreise der afghanischen Mitarbeiter gegangen sei.
Am 16. Juni 2021 hatte die große Koalition aus Union und SPD sich darauf verständigt, in einem vereinfachten Verfahren allen Ortskräften von Bundeswehr und Polizei, die ab 2013 ein Visum für Deutschland angestrebt hatten, dieses zu bewilligen. Da allerdings die Visastelle der deutschen Botschaft in Kabul geschlossen war, mussten Ortskräfte mit ihren Familien für die Visaverfahren zu den deutschen Botschaften nach Pakistan oder Indien reisen. Die radikal-islamischen Taliban haben nach Abzug internationaler Truppen rasch große Gebiete zurückerobert und am 15. August 2021 die Macht im ganzen Land übernommen.