Dresden (epd). Im Prozess gegen die mutmaßliche Linksextremistin Lina E. und drei weitere Angeklagte hat die Verteidigung die Bundesanwaltschaft und den Senat des Oberverwaltungsgerichts scharf kritisiert. Es sei ein politisch motiviertes Verfahren geführt worden, sagte Verteidiger Ulrich von Klinggräff am Mittwoch beim Prozess in Dresden. Die Bundesanwaltschaft betreibe „politische Justiz“. Der Berliner Anwalt vertritt die Hauptangeklagte Lina E. vor dem Oberlandesgericht.
Von Klinggräff betonte, die Anklage sei von „Einseitigkeit und unbedingtem Verfolgungseifer“ geprägt. So etwa hätte strafmildernd berücksichtigt werden können, dass die Angeklagten nicht aus eigennützigen Motiven gehandelt hätten, sondern „der faschistischen Gefahr begegnen wollten“. Stattdessen würde eine „politisch motivierte Gleichsetzung linker und rechter Gewalt“ betrieben.
Das Verfahren sei von öffentlicher Vorverurteilung und Voreingenommenheit durchzogen, sagte der Verteidiger. Lina E. habe „massive Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte“ erfahren müssen. Es habe „exzessive Sicherheitsmaßnahmen, mediale Inszenierung und öffentliche Verleumdung“ gegeben. Seine Mandantin sei zudem seit ihrer Verhaftung „jeglicher Privatsphäre“ beraubt worden.
Die mutmaßliche Rädelsführerin Lina E. sowie drei Männer sind wegen tätlicher Angriffe auf Rechtsextreme angeklagt. Sie sollen eine linksextremistische kriminelle Vereinigung gegründet haben. Die Bundesanwaltschaft hatte für die Leipziger Studentin Lina E. eine achtjährige Haftstrafe gefordert.
Verteidiger von Klinggräff kritisierte auch den Senat scharf. Es gebe einen „Schulterschluss zwischen Gericht und Anklagebehörde“, sagte er. Richter und Richterinnen seien „nicht zu einer kritischen Überprüfung der Anklage der Bundesanwaltschaft in der Lage“. Der Senat habe kein eigenes Interesse gezeigt, die Anklagepunkte zu hinterfragen und aufzuklären. Eine „kritische Durchleuchtung der Hypothese und Schlussfolgerungen der Bundesanwaltschaft“ habe nicht stattgefunden. Stattdessen sei „eine gemeinsame Front“ gegen die Angeklagten aufgebaut worden.
In seinem ausführlichen Plädoyer ging der Berliner Anwalt detailliert auf eine mutmaßliche Beteiligung von Lina E. bei einzelnen Taten ein. Aus der Aussage des Kronzeugen nehme sich die Bundesanwaltschaft heraus, was zu ihrer Auffassung passe. Das sei „Rosinenpickerei“. Das Plädoyer vor dem Oberlandesgericht Dresden sollte am Nachmittag fortgesetzt werden. Der Vortrag des Anwalts wurde im Verhandlungssaal von zahlreichen mutmaßlichen Sympathisanten der linken Szene verfolgt.
Der Prozess hatte im September 2021 begonnen. Lina E. war Ende 2020 festgenommen worden und sitzt in Untersuchungshaft. Die drei mitbeschuldigten Männer aus Leipzig und Berlin sind derzeit auf freiem Fuß. Das Urteil wird am 10. Mai erwartet. Die linke Szene kündigte bereits Proteste an.