Köln (epd). Nach dem Abschalten der letzten drei Atomkraftwerke am Samstag geht die Diskussion über eine gesicherte Energieversorgung in Deutschland weiter. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) verteidigte am Samstag im Deutschlandfunk erneut den Atomausstieg und garantierte eine Energiesicherheit in Deutschland. Auch Verbände wie Greenpeace begrüßten erneut, dass in Deutschland nun kein Atomstrom mehr produziert werde. Indessen kam Kritik von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler).
In Deutschland wird künftig kein Atomstrom mehr produziert. Die letzten drei Kraftwerke sind am Samstag vom Netz gegangen. Mit der Abschaltung von Isar 2 in Bayern, Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg und Emsland in Niedersachsen ist der Ausstieg aus der Kernenergie nach rund sechs Jahrzehnten abgeschlossen: Der erste Meiler in der Bundesrepublik nahm 1960 den Betrieb auf, in der DDR begann die Nutzung der Technologie zur Stromerzeugung 1966.
Bundesumweltministerin Lemke betonte, auch die Energieversorgung im nächsten Winter sei gewährleistet. Dazu setze die Bundesregierung auch auf den Ausbau von erneuerbaren Energien.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace erklärte in Hamburg, dass die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke in Deutschland ein riesiger Erfolg von 40 Jahren Anti-Atom-Bewegung sei. „Raus aus einer Hochrisikotechnologie hin zu einer Energieversorgung mit Friedens-Energien aus Sonne und Wind und einen weiteren Schritt unabhängiger vom Kriegstreiber Putin.“
Auch Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring, begrüßte in Berlin den Abschied von der „Hochrisikotechnologie Atomkraft“. „Damit findet ein schmutziges und teures Kapitel der Energiegeschichte ein Ende“. Denn für die Versorgungssicherheit seien AKWs ein Problem: „Seit Jahren helfen wir Frankreich mit erneuerbarem Strom aus, weil die französischen AKWs die Versorgung nicht gewährleisten können.“
Indessen kritisierte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie als „ökologisch unvernünftig und wirtschaftlich gefährlich.“ Der Ausstieg gefährde die Zukunft des Landes. Man müsse möglicherweise Konzepte entwickeln, wie man zu einem bestimmten Zeitpunkt für eine Zeitlang die Kernenergie wieder nutzen könne.
Ähnlich äußerte sich Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler). Deutsche Kernkraftwerke sollten betriebsfähig gehalten werden, bei einer möglichen Abkehr vom Atomausstieg könnten sie dann wieder hochgefahren werden, sagte Aiwanger am Samstag dem Radiosender Bayern 2.
Ex-Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) wies Forderungen danach, die verbliebenen Kernkraftwerke länger laufen zu lassen oder in Reserve zu halten, zurück. Der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ, Samstag) sagte er: „Wer Laufzeiten verlängern will, der will, dass wir uns erneut in Abhängigkeit von Russland begeben. Uran müssen wir aus Russland beziehen“, sagte Trittin.
Den ersten Ausstiegs-Beschluss hatte 2001 die damalige rot-grüne Koalition getroffen. Die von 2009 bis 2013 regierende schwarz-gelbe Bundesregierung verlängerte die Laufzeiten zunächst, leitete aber unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Fukushima 2011 den Atomausstieg bis Ende 2022 doch wieder ein. Zuletzt hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach langem Streit in der Ampel-Koalition und angesichts der Gaskrise den Betrieb der letzten drei Kraftwerke um dreieinhalb Monate verlängert.