Ukraine-Krieg: De Maizière ist "Freiheit wichtiger als Frieden"

Ukraine-Krieg: De Maizière ist "Freiheit wichtiger als Frieden"
05.04.2023
epd
epd-Gespräch: Corinna Buschow und Franziska Hein

Frankfurt a.M. (epd). Der frühere Bundesverteidigungsminister und aktuelle Kirchentagspräsident Thomas de Maizière hat Kritikern von Waffenlieferungen an die Ukraine einen einseitigen Blick auf die Konsequenzen vorgeworfen. Es gebe bei diesen schwierigen Abwägungen keine widerspruchsfreien Lösungen, sagte de Maizière in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Eine Waffenlieferung verlängere Töten und Sterben. „Wenn man das ablehnt, muss man sich aber im Klaren sein, dass der Preis dafür wahrscheinlich Unfreiheit ist“, sagte er.

„Letztlich geht es also um die Frage: Ist Frieden oder Freiheit wichtiger“, sagte de Maizière und ergänzte, für ihn sei „Freiheit wichtiger als Frieden“. „Das ist mein Vorwurf an den Pazifismus“, betonte der CDU-Politiker, der von 2011 bis 2013 Verteidigungsminister war. Auf die Frage, ob Pazifismus in seinen Augen naiv sei, antwortete der evangelische Christ mit „Ja“, sagte aber auch, er sei „zugleich nötig als kritischer Maßstab“.

De Maizière vermisst nach eigener Aussage gleichzeitig eine stärkere ethische Debatte über den Einsatz von Waffen. „Oft geht es derzeit um taktische Fragen, und alle kennen jetzt den Unterschied zwischen Marder- und Leopard-Panzern“, sagte er. Über ethische Themen werde zu wenig gesprochen. Der 69-Jährige sprach sich auch für eine neue Friedensdenkschrift der evangelischen Kirche aus. „Darin darf es dann nicht nur um die Moral gehen. Ethik muss sich auch im Handeln bewähren“, sagte er.

De Maizière ist seit 2021 Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags und steht damit dem diesjährigen Christentreffen vor, das vom 7. bis 11. Juni in Nürnberg stattfindet. Es steht unter der Losung „Jetzt ist die Zeit“. Die Losung sei „genau richtig“ in einer Zeit „erschütterter Gewissheiten“, sagte de Maizière. Man habe für gewiss gehalten, dass es in Europa keinen Krieg mehr gibt, die Menschen in einer Überflussgesellschaft leben, Wachstum ewig ist und der deutsche Staat funktioniert.

All das sei erschüttert, sagte er und verwies nicht nur auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine: „Wir haben plötzlich keinen Hustensaft mehr und Holz wird knapp. Wir freuen uns über 0,1 Prozent Wachstum, was faktisch keines ist. Und wir wissen, dass bei der Staatsorganisation einiges im Argen liegt.“ Der Kirchentag wolle in dieser Situation eine „Zeitendeutung“ versuchen. Zum ersten Treffen nach der Corona-Pandemie werden zahlreiche Spitzenpolitiker, prominente Persönlichkeiten aus Kultur, Gesellschaft und Kirche erwartet.