Pols ergänzte, in dem Papier werde die Religionsfreiheit über das Kindeswohl gestellt, es müsse aber umgekehrt sein. Ärzteverbände forderten unterdessen, eine Beschneidung nur unter Betäubung zu erlauben.
Marlene Rupprecht, Kinderbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, sagte der Zeitung, sie sei "erschüttert". Nach den Eckpunkten sei Beschneidung künftig im Familienrecht zu regeln, wo auch das Recht auf gewaltfreie Erziehung festgeschrieben ist. "Das zynisch zu nennen, ist noch harmlos ausgedrückt", sagte Rupprecht. Hier würde für eine Gruppe ein besonderes Gesetz geschaffen. Der Entwurf sei ein Entgegenkommen gegenüber Religionsgemeinschaften. Die kinderpolitische Sprecherin der Grünen, Katja Dörner, sagte, sie könne nicht zustimmen, weil "das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit zur Disposition" gestellt werde.
Der Familienpolitiker Norbert Geis (CSU) begrüßte hingegen die Vorlage des Justizministeriums. Beschneidung sei "nicht so ein schwerer Eingriff" und könne auch von einem geschulten Nicht-Mediziner vorgenommen werden, sagte er. Die Frage der Betäubung müsse aber noch erörtert werden. Stephan Thomae (FDP), Mitglied des Rechtsausschusses, erklärte, die Grundrichtung sei richtig. Der Staat dürfe nicht bestimmen, wie Religionen ihre Traditionen ausüben. Von wann an ein Kind von einem Arzt beschnitten werde, müsse aber noch geklärt werden.
Ärzteverbände und Strafrechtler bestehen darauf, dass auch Jungen unter sechs Monaten nur mit Betäubung beschnitten werden. Nach dem Eckpunktepapier dürften Kinder unter sechs Monaten auch von einem religiösen Beschneider beschnitten werden, der kein Arzt sein muss. Nur Ärzte dürfen betäuben.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery begrüßte zwar, das nun Rechtssicherheit geschaffen würde. Die Schmerzfreiheit des Eingriffes müsse aber gewährleistet sein, eine Beschneidung ohne Anästhesie entspreche nicht den Regeln der ärztlichen Kunst. "Hier müssen sich auch die Religionen bewegen", sagte Montgomery der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, kündigte rechtliche Schritte an, sollten die jetzt vorgesehenen Regelungen sich durchsetzen. "Sollte ein solches Gesetz verabschiedet werden, werden wir zusammen mit anderen Organisationen das Bundesverfassungsgericht anrufen".