Bremerhaven, Potsdam (epd). Der klimabedingte Rückgang des Meereises in der Arktis hat nach Erkenntnissen von Polarforschenden tiefgreifende Folgen für das Leben im Wasser der Region. Das schließt ein Team vom Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung in Potsdam aus der Analyse alten Erbguts vom Meeresgrund, wie die Gruppe am Montag mitteilte. So warfen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihren Untersuchungen einen Blick rund 20.000 Jahre zurück bis in die letzte Eiszeit - mit teils dramatischen Erkenntnissen für die Zukunft.
Das Material aus den Ablagerungen mit den darin enthaltenen DNA-Spuren sei ein natürliches Archiv der Klimageschichte, erklärte die Leiterin der Forschungsgruppe, Professorin Ulrike Herzschuh. „Wir waren selbst überrascht, dass in diesen alten Sedimenten Informationen über das komplette Ökosystem stecken.“
So zeigte sich, dass für die kälteren Phasen der letzten Eiszeit Diatomeen und andere Algen typisch waren, die in oder unter dem Meereis leben. Diese winzigen Sauerstoffproduzenten waren eine beliebte Nahrungsquelle für Ruderfußkrebse, die ihrerseits von Fischen aus der Familie der Dorsche wie dem Pazifischen Kabeljau, dem Alaska-Seelachs und dem Polardorsch gefressen wurden.
In den wärmeren Epochen ohne Eis gab es dagegen deutlich weniger Diatomeen und Ruderfußkrebse, dafür aber den Analysen zufolge umso mehr Cyanobakterien. Am Meeresgrund breiteten sich in geschützten Buchten Seegraswiesen aus, statt der Dorsche schwammen in der Beringsee mehr Lachse und Pazifische Heringe. „Wir können damit nun zum ersten Mal zeigen, wie sich mit dem Rückgang des Meereises das komplette Ökosystem umbaut“, resümierte Herzschuh. „Das fängt bei den Algen an und geht bis zu den Fischen und Walen.“
Ähnlich tiefgreifende Veränderungen erwarten die Forscher auch für eine wärmere und weitgehend eisfreie Zukunft. Das aber könne massive ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen haben, hieß es. So werde sich der Fang einiger beliebter Speisefische wie Seelachs und Kabeljau in der Beringsee womöglich nicht mehr lohnen. Dafür könnten der Buckellachs und der Pazifische Hering weiter nach Norden vordringen. Außerdem könnten die Meere dann nicht mehr so viel Kohlendioxid speichern, was den Klimawandel weiter anheizen würde.