Frankfurt a.M., Interlaken (epd). Es ist eine eindringliche Warnung und ein Aufruf zum schnellen Handeln: Am Montag hat der Weltklimarat seinen Report vorgestellt, mit dem der sechste Berichtszyklus des internationalen Gremiums abgeschlossen wird. Das Zeitfenster, in dem eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen gesichert werden kann, schließe sich schnell, warnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im schweizerischen Interlaken. Noch in diesem Jahrzehnt müssten die Treibhausgasemissionen massiv reduziert werden.
Der Bericht unterstreiche die Notwendigkeit, ambitionierte Schritte zu ergreifen, sagte der Vorsitzende des Weltklimarats, Hoesung Lee. Das Tempo und Ausmaß der Klimapolitik reiche nicht, um den Klimawandel anzugehen. Doch Lee betonte auch: „Wenn wir jetzt handeln, können wir noch eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle sichern.“
Der Report, mit dem der Rat seinen sechsten Sachstandsbericht abschließt, hält fest, dass das 1,5-Grad-Ziel mit der bisherigen Politik verfehlt wird. So werde die im Pariser Klimaabkommen vereinbarte Marke mit den bis Oktober 2021 gemachten Zusagen der Länder zur Einsparung von Treibhausgasen wahrscheinlich überschritten - womöglich schon in diesem oder dem nächsten Jahrzehnt.
Die Staatengemeinschaft hatte sich im Pariser Klimaabkommen darauf geeinigt, die Erdererwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst sogar auf 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Auch ein temporäres Überschreiten, der sogenannte Overshoot, hätte laut dem Bericht unumkehrbare Folgen wie die Gletscherschmelze, den Anstieg des Meeresspiegels und die Zerstörung von Ökosystemen.
UN-Generalsekretär António Guterres rief dazu auf, die Klimabemühungen in jedem Land und in jedem Sektor massiv zu beschleunigen. Die „Klima-Zeitbombe“ ticke, sagte er in einer Videobotschaft bei der Vorstellung des Berichts.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) mahnte, der Bericht mache „mit brutaler Klarheit deutlich, dass wir an dem Ast sägen, auf dem wir als Weltgemeinschaft sitzen“. Es sei aber weiterhin möglich, das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten, „wenn wir in den nächsten sieben Jahren die globalen Emissionen halbieren“. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) erklärte, der Ausstoß von Treibhausgasen müsse weltweit „sofort, schnell und in großem Umfang“ reduziert werden.
Derweil forderten Umweltorganisationen eine entschlossenere Klimapolitik in Deutschland. Die Bundesregierung müsse die notwendigen Beschlüsse für den Umbau des Verkehrs- und Gebäudesystems fassen und den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen, sagte der Politische Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals.
Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid rief die Ampel-Koalition dazu auf, „ihr lähmendes Hickhack um E-Fuels, Tempolimit und LNG-Überkapazitäten“ zu beenden. Um die 1,5-Grad-Grenze zu erreichen, seien die kommenden Jahre bis 2030 entscheidend.
Auch die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Dagmar Pruin, forderte eine drastische Reduzierung klimaschädlicher Emissionen. Die Erderwärmung „wird mehr humanitäre Katastrophen verursachen und soziale Ungerechtigkeiten werden sich verschärfen“, sagte sie. Die Fachleute des Weltklimarats warnen vor zunehmenden Gefahren der Erderhitzung wie Fluten und einem Verlust der Artenvielfalt in allen Weltregionen.
Der Weltklimarat mit Sitz in Genf ist das führende internationale Gremium zu wissenschaftlichen Fragen und Antworten rund um die Erderwärmung. Der am Montag vorgestellte Synthesebericht beruht auf sechs Berichten mit Tausenden Seiten, die in den vergangenen Jahren veröffentlicht wurden. Er soll deren Erkenntnisse auch mit Blick auf politische Entscheidungen zusammenfassen. Das Dokument gilt als wichtige diplomatische Grundlage für kommende Klimaverhandlungen. Dem Weltklimarat gehören 195 Staaten an.