Experte: Eritreas Militärpräsenz gefährdet Frieden in Tigray

Experte: Eritreas Militärpräsenz gefährdet Frieden in Tigray
06.03.2023
epd
epd-Gespräch: Birte Mensing

Nairobi, Abuja (epd). Die anhaltende Präsenz von Truppen aus Eritrea gefährdet nach Einschätzung des Analysten Rashid Abdi den fragilen Frieden in der äthiopischen Konfliktregion Tigray. Die eritreischen Soldaten seien bei ihrer Unterstützung für die äthiopische Armee im Krieg gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) besonders brutal vorgegangen, sagte der Ostafrika-Experte bei der Denkfabrik Sahan dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Nairobi. Der Konflikt dauerte knapp zwei Jahre bis zu einem Friedensschluss im November.

Wenige Tage vor Unterzeichnung des Abkommens töteten eritreische Soldaten nach Berichten der „Washington Post“ 300 Zivilistinnen und Zivilisten bei Massakern in mindestens zehn Dörfern im Tigray. Dass diese und ähnliche Verbrechen jemals aufgeklärt und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden, hält Abdi für extrem unwahrscheinlich. Eritrea habe kein Interesse, Menschenrechtsverletzungen jeglicher Art auch nur zuzugeben.

Auch von äthiopischer Seite seien keine Untersuchungen zu erwarten. „Ohne Eritrea hätte Äthiopien diesen Krieg nicht gewinnen können“, sagt Abdi. Der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed stehe deshalb in der Schuld des eritreischen Präsidenten Isaias Afwerki. Dadurch könne das kleine Eritrea mit seinen 3,6 Millionen Einwohnern erstaunlichen Druck aufbauen und Einfluss in der Region nehmen.

Das Friedensabkommen zwischen der äthiopischen Regierung und der TPLF sieht den Abzug der eritreischen Truppen vor. Doch Präsident Afwerki hat sich diesem Friedensprozess bisher nicht angeschlossen. Zu groß sei die Bitterkeit, die Afwerki gegen den Erzfeind TPLF hege, sagt Abdi. Die TPLF dominierte über Jahrzehnte die Politik Äthiopiens und führte als Teil der Zentralregierung einen Grenzkrieg gegen Eritrea. Zudem sprach sie sich für strenge internationale Sanktionen gegen Eritrea aus. „Afwerki wird nicht ruhen, bis die TPLF endgültig besiegt ist und die Anführer im Gefängnis sind“, sagte Abdi.

„Afwerkis Ziel ist es, sich als neuer Führer des Horns von Afrika zu positionieren“, erläuterte der Analyst. Dafür sei er bereit, Gewalt einzusetzen. Auch pflege er enge Verbindungen zu Regierungen der Region wie zum somalischen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud. Die Armee Eritreas habe in den vergangenen Jahren tausende somalische Soldaten trainiert.

Momentan er sei die Lage in Tigray düster. Wenn es nicht bald eine Verbesserung der Lebensumstände gibt, sieht Abdi zwei Szenarien drohen: einen Aufstand gegen die TPLF oder eine Rückkehr zum Krieg. „Die Situation könnte schnell außer Kontrolle geraten.“ Deshalb müsse Eritrea dringend seine verbleibenden Truppen abziehen.