Berlin (epd). Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) will künftig an Kinder gerichtete Werbung für Chips, Schokolade und andere Dickmacher verbieten. Er sei alles andere als ein „Verbotsfanatiker“, aber „bei Kindern hört der Spaß auf“, sagte der Minister am Montag in Berlin bei der Vorstellung seiner Pläne. Die geplante Regelung soll seinen Angaben nach für „alle für Kinder relevanten Medien“ gelten, also sowohl für die Außenwerbung, für Printmedien, Radio und Fernsehen sowie für das Internet, etwa beim „Influencermarketing“. Das Vorhaben muss noch innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden.
Der Minister handelt im Sinne von Verbraucher- und Medizinverbänden, die sich schon länger für ein derartiges Verbot aussprechen. Positiv über den Gesetzesentwurf äußerten sich die deutsche Adipositas-Gesellschaft, foodwatch und der AOK-Bundesverband. Der Lebensmittelverband lehnte die Maßnahme ab. Kritik kam auch aus Reihen der Union.
Nach Ministeriumsangaben sind rund 15 Prozent der 3- bis 17-Jährigen in Deutschland übergewichtig, von ihnen fast sechs Prozent adipös. Im Kindesalter ausgebildetes Übergewicht bleibe oftmals ein Leben lang bestehen und erhöhe in späteren Lebensphasen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Altersdiabetes, hieß es.
Konkret geht es laut Özdemir um Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- und Salzgehalt. Sie sollen nach Vorstellung des Ministers künftig nicht mehr zwischen 6 Uhr und 23 Uhr beworben werden. Außerdem soll es keine Außenwerbung im Umkreis von 100 Metern zu Schulen, Kindertageseinrichtungen, Spielplätzen oder anderen Freizeiteinrichtungen für unter 14-Jährige geben sowie kein Sponsoring. Kontrolliert werden soll das Ganze durch die Marktüberwachungsbehörden der Länder.
Der Gesetzentwurf orientiere sich an den Anforderungen des Nährwertprofil-Modells der Weltgesundheitsorganisation (WHO), welches explizit für die Regulierung der Lebensmittelwerbung gegenüber Kindern geschaffen sei. Es teile Lebensmittel in verschiedene Kategorien ein, welche jeweils eigene Höchstwerte für den Gehalt von unter anderem Zucker, Fett und Salz haben. Diese Höchstwerte könnten nach Angaben des Ministeriums an Werberegulierungsmaßnahmen geknüpft werden.
Der AOK-Bundesverband begrüßte den Gesetzentwurf. „Kinder und Jugendliche müssen vor dieser Werbung geschützt werden, weil sie maßgeblich ihr Kauf- und damit auch ihr Essverhalten beeinflusst“, sagte Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands. Oliver Huizinga, politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, sagte: „Minister Özdemir ist ein großer Wurf gelungen.“ Die WHO zähle die Beschränkung der Werbung zu den wichtigsten Maßnahmen gegen die Bekämpfung von Adipositas.
Luise Molling von der Verbraucherorganisation foodwatch bezeichnete den Gesetzentwurf als Meilenstein im Kampf gegen Fehlernährung und Übergewicht. „Cem Özdemir macht endlich Schluss mit dem von der Bundesregierung jahrelang vorgelebten, erfolglosen Prinzip der Freiwilligkeit.“ Der Lebensmittelverband kritisierte dagegen den Gesetzesentwurf. Die Maßnahmen seien ungeeignet zur Bekämpfung gesundheitlicher Risiken durch Fettleibigkeit bei Kindern und stützten sich auf keine wissenschaftliche Grundlage.
Unions-Fraktionsvize Steffen Bilger (CDU) kritisierte das Vorhaben ebenfalls. „Özdemir ebnet den Weg für Dirigismus, Bürokratie und staatliche Bevormundung“, sagte er der „Rheinischen Post“. Zudem lasse der Minister die Frage offen, woran er festmachen wolle, welche Werbung sich eindeutig an Kinder richte.