Berlin (epd). Ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine stellt Nothilfekoordinator Mario Göb von der Diakonie Katastrophenhilfe eine wachsende Verunsicherung bei den Menschen vor Ort fest. Beeindruckend seien zwar nach wie vor Durchhaltewillen, Zusammenhalt und das Aufbäumen gegen die Situation, sagte Göb dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Unter dieser Oberfläche sei aber zunehmend Sorge spürbar. „Die Menschen wollen ihren Alltag zurück. Das ist in weiten Landesteilen nicht gegeben, ein Ende des Krieges derzeit nicht absehbar“, fügte Göb hinzu.
Die Menschen in der Ukraine lebten weiterhin in großer Anspannung: „Bisher war auch keine Zeit, die traumatischen Geschehnisse aufzuarbeiten.“ Die Menschen realisierten immer mehr, dass ein Kriegsende nicht greifbar sei.
Nach Göbs Worten hat die Diakonie Katastrophenhilfe bisher 68 Millionen Euro an Spenden für die Ukraine eingenommen. Die Spendenbereitschaft sei nach wie vor groß, trotz zahlreicher weiterer humanitärer Krisen. Mit den Spenden sei das größte Hilfsprogramm in der Geschichte der Diakonie Katastrophenhilfe auf die Beine gestellt worden. Die drei größten Projekte umfassten Hilfspakete, Winterhilfe und Wärmestuben. Sie würden zusammen mit ukrainischen Partnern vor Ort umgesetzt, die direkten Zugang zu den Hilfsbedürftigen hätten.
Bei der Hilfe für ukrainische Geflüchtete in Deutschland dringt Göb auf „eine kluge Integrationspolitik“. Der Nothilfekoordinator betonte: „Je schneller Integration gelingt, desto mehr werden Kommunen und auch Sozialsysteme entlastet.“ Die Unterbringung von mehr als einer Million Menschen hierzulande sei eine enorme Herausforderung. „Dennoch ist die Hilfsbereitschaft nach wie vor beeindruckend groß, auch ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskrieges“, sagte Göb. Darauf könne das Land stolz sein.
Zugleich mahnte die Diakonie Katastrophenhilfe frühzeitige Überlegungen zum Wiederaufbau des Landes an. Nach einer ersten Einschätzung der ukrainischen Regierung müsse von Kosten von 750 oder 800 Milliarden Euro für den Wiederaufbau ausgegangen werden: „Ob das überhaupt reicht, wird intensiv diskutiert.“ Angesichts der jetzigen Lage sei unklar, wann der Wiederaufbau beginnen könnte. „Andererseits dürfen die Planungen nicht erst anfangen, wenn der Krieg vorbei ist“, mahnte Göb: „Wir müssen jetzt planen, um in einer guten Ausgangslage zu sein, wenn es so weit ist.“