Berlin (epd). Junge Menschen in Deutschland beschäftigen sich einer Untersuchung zufolge intensiver mit der Geschichte des Nationalsozialismus als die Allgemeinbevölkerung. Der MEMO-Jugendstudie zufolge, die die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) am Dienstag in Berlin vorstellte, gaben fast 63 Prozent der befragten 16- bis 25-Jährigen an, sich bisher „eher“ oder „sehr intensiv“ mit der NS-Zeit befasst zu haben. In der Allgemeinbevölkerung seien dieser Anteil mit knapp 53 Prozent kleiner gewesen.
Als wichtigste Zugänge zur NS-Geschichte nennt die junge Generation den Angaben zufolge neben dem Internet auch Dokumentarfilme und Spielfilme. Viele nutzen YouTube und Instagram und nannten bekannte Kanäle wie „MrWissen2go“ (YouTube) und „ichbinsophiescholl“ (Instagram). Eine KZ-Gedenkstätte hat mehr als ein Viertel der Befragten nach eigener Aussage noch nie besucht.
Das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IGK) der Universität Bielefeld hat für die Studie knapp 3.500 Jugendliche und junge Erwachsene online befragt. Sozialpsychologe Jonas Rees sprach von einer interessierten, engagierten jungen Generation. Entscheidend für die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit seien der eigene Bildungsstand und jener der Eltern. Alter, Geschlecht oder Herkunftsgeschichte der Familie spielten eine geringere Rolle.
Ein schwindendes Interesse junger Menschen an der Geschichte des Nationalsozialismus konnte in der Studie nicht festgestellt werden. Lediglich knapp 9 Prozent äußern ein fehlendes Verständnis dafür, warum sie sich heute noch mit dem Thema befassen sollten. In der Allgemeinbevölkerung hätten wiederum mehr als ein Viertel der Befragten (26 Prozent) angegeben, dass sie nicht verstünden, warum eine solche Auseinandersetzung heute noch nötig sei.
Bei der jungen Generationen schwindet laut Studie allerdings das Faktenwissen. So antwortete auf die Frage, welcher Zeitraum als „Zeit des Nationalsozialismus“ bezeichnet werde, nur etwa die Hälfte der Befragten korrekt mit „1933 bis 1945“. Mehr als 40 Prozent konnten keinen oder lediglich einen Ort nennen, an dem Menschen in der NS-Zeit systematisch ermordet wurden. Am häufigsten wurde das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (rund 75 Prozent) genannt, gefolgt von Dachau und Buchenwald.
Die eigene Familiengeschichte im Kontext des Nationalsozialismus ist vielen nicht bekannt. So gab knapp die Hälfte der Befragten an, sich wenig oder gar nicht damit auseinandergesetzt zu haben. Während in der Allgemeinbevölkerung knapp ein Viertel von NS-Tätern in der eigenen Familie berichteten, waren es bei der jungen Generation nur etwa neun Prozent.
Gefragt wurden die 16- bis 25-Jährigen auch nach dem eigenen Engagement in der Gegenwart: Etwa 40 Prozent gaben an, sich „eher wenig“ oder „überhaupt nicht“ für gesellschaftliche oder globale Themen zu engagieren. Knapp 22 Prozent schätzten sich als „eher stark“ oder „sehr stark“ engagiert ein. Die meisten setzten sich demnach für den Klima- und Umweltschutz ein.
Der Erinnerungsmonitor MEMO untersucht seit 2017 anhand jährlicher repräsentativer Umfragen den Zustand der Erinnerungskultur in Deutschland.