Köln, Mainz (epd). In Köln küsst der russische Präsident Wladimir Putin den Teufel und hat FIFA-Präsident Gianni Infantino den Mund voller Geldscheine. In Mainz entsteigt der frühere US-Präsident Donald Trump als Zombie seinem Grab. Am Rosenmontag haben die Närrinnen und Narren in den deutschen Karnevalshochburgen erstmals seit drei Jahren wieder mit Umzügen Karneval gefeiert. 2021 und 2022 waren die Züge wegen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffs auf die Ukraine abgesagt worden.
In Düsseldorf ließ der Wagenbauer Jacques Tilly den russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Blutbad nehmen. Knapp ein Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs saß Putin auf einem Persiflagewagen in einer in ukrainischen Landesfarben gestrichenen Wanne. Mit einer Bürste schrubbte er sich das Blut zigtausender Opfer vom nackten Körper. Der Zug mit mehr als 10.000 Teilnehmenden auf 122 Wagen und in 103 Fußgruppen begann im Stadtteil Bilk und zog in Richtung Altstadt.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) musste als „Krötenminister“ einen Berg graugrüner Kröten schlucken. Die Amphibien trugen Namen wie „Gas aus Diktaturen“, „Atomkraft“ und „Aufrüstung“. Auch die Kirchen blieben nicht außen vor bei der Kritik. So wurde der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki mit seinem Verhalten im Missbrauchsskandal aufs Korn genommen. Während sich der Erzbischof an die Türme des Kölner Doms klammerte, versuchte der Teufel, ihn zu sich zu ziehen.
In Mainz rechnete der federführende Mainzer Carneval-Verein (MCV) für den neun Kilometer langen Zug mit 9.200 Teilnehmenden und bis zu 550.000 Zuschauern. In der vergangenen Woche hatte der MCV seine politischen Motivwagen für den Rosenmontag vorgestellt. Die Wagenbauer um Dieter Wenger thematisierten den Ukraine-Krieg, indem sie beispielsweise einen verbeulten russischen Panzer nachbauten, dem eine ukrainische Sonnenblume den Mittelfinger entgegenstreckte. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde als phrasenspuckender „Scholzomat“-Roboter gezeigt.
In Köln feierten die Jecken in diesem Jahr das Jubiläum 200 Jahre Kölner Karneval. An dem Zug aus mehr als 180 Wagen nahmen laut Veranstaltern etwa 12.000 Menschen teil. Die Kölner Persiflagewagen nahmen wie in Düsseldorf und Mainz das Weltgeschehen satirisch aufs Korn. Sie zeigten etwa neben Putin und FIFA-Präsident Infantino die getötete Iranerin Mahsa Amini, hinter der ein bärtiger Sittenwächter ein blutiges Messer hob.
Einen weiteren Wagen zierte eine jüdische Menora, ein siebenarmiger Leuchter. Der Festwagen wurde laut dem Festkomitee Kölner Karneval bereits 2021 zum Festjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ gebaut. Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn erklärte, zum 200. Jubiläum des Kölner Karnevals sei dem Komitee bewusst geworden, wie sehr es sich in der NS-Zeit habe instrumentalisieren lassen. „Sogar im damaligen Rosenmontagszug wurde gegen jüdische Mitbürger gehetzt“, sagte Kuckelkorn. Heute werde jahrhundertealte gemeinsame Geschichte gefeiert.
In einer ersten Zwischenbilanz sprach die Polizei in Mainz von einem störungsfreien Ablauf und „bester Stimmung entlang der Zugestrecke“. Viele vor Ort eingesetzte Beamte teilten den Eindruck, dass noch mehr Menschen gekommen seien als in gewöhnlichen Jahren, sagte ein Polizeisprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das vorläufige Fazit einiger Ordnungshüter am Rande des Zugs in Düsseldorf lautete: „Allgemein ausgelassen, fröhlich und friedlich.“
Die diesjährige Kampagne in Rheinland-Pfalz war von einem Streit um verschärfte Sicherheitsvorkehrungen überschattet. Neue Auflagen für Sicherheitskonzepte und Betriebsgenehmigungen für Fastnachtswagen haben dazu geführt, dass die Vereine in zahlreichen Kommunen vor allem im Süden des Bundeslands die Züge absagten.