Göttingen (epd). Alevitische Gemeinden im Südosten der Türkei beklagen nach Angaben von Menschenrechtlern eine systematische Benachteiligung bei der Versorgung mit Hilfsgütern, bei Nothilfen und bei der Bergung von Erdbebenopfern. Augenzeugen berichteten, dass der staatliche Katastrophenschutz insbesondere die alevitischen Dörfer um die Stadt Pazarcik erst Tage nach dem Erbeben aufgesucht habe, sagte Tabea Giesecke von der Gesellschaft für bedrohte Völker am Freitag in Göttingen. „Die Dörfer, in denen Menschen noch in den Trümmern lagen, wurden systematisch ignoriert.“ Zivile Hilfen würden weiterhin behindert.
Seit dem Erdbeben leisteten immer mehr alevitisch-kurdische Initiativen Nothilfe und brächten Hilfsgüter sowie Spenden aus dem Ausland in betroffene Gebiete, fügte Giesecke hinzu: „Das Vertrauen der Menschen in die türkische Regierung und den Katastrophenschutz ist zutiefst erschüttert. So habe in der alevitischen Gemeinde in Pazarcik der Gouverneur zivile Helfer aufgefordert, ihre Arbeit zu beenden und Hilfsgüter beschlagnahmt. “Die Zivilbevölkerung leistet jetzt die Hilfe, die der Staat systematisch zurückhält. Und selbst das ist diesem Staat ein Dorn im Auge", sagte Giesecke.
Die Aleviten sind eine vorwiegend in der Türkei und Syrien beheimatete Glaubensgemeinschaft. In der Türkei stellen sie etwa 15 Prozent der Bevölkerung. Der alevitische Glaube, der sich aus dem Islam heraus entwickelt hat, definiert sich durch Werte wie Nächstenliebe, Bescheidenheit, Geduld und Humanismus.