Berlin (epd). Die Wohlfahrtsverbände sollten nach Ansicht des Präsidenten der Diakonie Deutschland, Ulrich Lilie, an dem bevorstehenden Flüchtlingsgipfel beteiligt werden. Offenbar habe man vergessen, dass dies in der Zeit der großen Fluchtbewegungen von 2015 erfolgreich der Fall gewesen sei, sagte er am Donnerstag in Berlin. Mit Blick auf das in der kommenden Woche (16. Februar) von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) anberaumte Treffen von Bund, Ländern und Kommunen zur Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen kritisierte Lilie, „kein Erfolgsrezept“ sei wiederum, wenn Behörden und Regierungsebenen unter sich blieben. Denn notwendig seien Politik und Zivilgesellschaft.
Bei dem Treffen soll es um konkrete Fragen der Unterbringung gehen. Vertreter von Kommunen hatten jüngst immer wieder eine Überlastung angesichts steigender Flüchtlingszahlen beklagt. Infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind gut eine Million Flüchtlinge aus dem Land nach Deutschland gekommen. Auch die Zahl Schutzsuchender aus anderen Ländern war 2022 wieder gestiegen.
Lilie dankte den engagierten Menschen in Deutschland, die die Aufnahme von Ukrainerinnen und Ukrainern Menschen möglich gemacht hätten. 70 Prozent der Geflüchteten lebten nach wie vor in privaten Wohnungen, fügte er hinzu. Doch nach fast einem Jahr zeigten sich Ermüdungserscheinungen bei den Leuten, die Wohnraum zur Verfügung gestellt hätten.
Mit zehn Millionen Euro aus einem Nothilfefonds der Diakonie Katastrophenhilfe wurden den Angaben zufolge bundesweit inzwischen mehr als 245 Projekte aufgesetzt für Beratung, Unterstützung bei Behördengängen oder für Deutschkurse. „Wir haben gelernt, dass sich schnelle Integration auszahlt und das Ankommen in unserer Gesellschaft fördert“, sagte Lilie. Diese Lehren müssten auf die Flüchtlingspolitik insgesamt übertragen werden. „Deutschland hat über eine Million Menschen aus der Ukraine aufgenommen, aber zum Beispiel mehr als anderthalb Jahre nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan warten dort immer noch Tausende Menschen auf ihre Evakuierung“, kritisierte er. Das zeige einen „eklatanten Widerspruch im Umgang mit Menschen in existenzieller Not“.
Die Präsidentin der Hilfswerke „Brot für die Welt“ und Diakonie Katastrophenhilfe, Dagmar Pruin, mahnt indes auch Friedensbemühungen an. Diplomatische Wege für ein Ende des Krieges sollten nicht aus dem Blick verloren werden, erklärte sie. Es sei wichtig, einen lang andauernden Krieg zu vermeiden: „Der Solidarität und dem Durchhaltewillen der ukrainischen Bevölkerung gebührt meine allerhöchste Anerkennung. Diese Kraft ist jedoch endlich und wir müssen alles tun, damit die Bevölkerung geschützt wird.“ Für Frieden brauche es alle Kräfte, auch die Kirchen könnten eine wichtige Rolle übernehmen sowie die anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Pruin fügte mit Blick auf das vergangene Kriegsjahr hinzu: „Die Solidarität und Spendenbereitschaft in Deutschland haben Hilfsmaßnahmen ermöglicht, die vom Umfang und Tempo historisch sind.“ An die Diakonie Katastrophenhilfe wurden den Angaben zufolge bislang knapp 68 Millionen Euro für die Ukraine-Nothilfe gespendet. Mehr als 600.000 Menschen habe man über die Partnerorganisationen vor Ort mit Geldleistungen, Hilfsgütern und anderen Unterstützungsmaßnahmen erreicht.
Der Direktor der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Keßler, forderte ein Ende der russischen Attacken. Die Angriffe auf zivile Infrastruktur „unterbrechen die Strom-, Wasser und Wärmeversorgung von Millionen Menschen“, sagte Keßler, der aus Sumy im Nordosten der Ukraine per Video zugeschaltet war. Bei Temperaturen von minus 10 Grad Celsius und Schnee benötigten die Menschen derzeit vor allem Schutz vor der Kälte.