Berlin (epd). Der Staat soll nach Ansicht von Sachverständigen die klimafreundliche Stahlproduktion mit eigenen Aufträgen sowie mit Regeln für bestimmte Sektoren, etwa die Autoindustrie, ankurbeln. Der unabhängige Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium erklärte in einem am Mittwoch in Berlin vorgestellten Gutachten, es könne sinnvoll sein, staatlich subventionierten Grünstahl für die öffentliche Beschaffung zu verwenden. In der Studie mit dem Titel „Transformation zu einer klimaneutralen Industrie“ wurden als Beispiele dafür „grüne“ Züge, Brücken und Gebäude genannt.
Insgesamt plädiert das Gremium für die Schaffung eines „grünen Leitmarkts“, also eines staatlich geförderten Marktes für klimaneutral produzierte Grundstoffe. Die Idee dahinter ist, dass Massenproduktion auch Kosten senken würde. Bei der Photovoltaik seien etwa die Kosten in zehn Jahren um 90 Prozent gefallen, heißt es im Gutachten. „Dadurch ist Solarenergie heute in vielen Regionen der Welt konkurrenzfähig und oft sogar deutlich billiger als fossile Energieträger.“
Allerdings müsse der Staat klare Spielregeln vorlegen und genau definieren, was „grüner“ Stahl eigentlich ist. Der Beirat plädiert für einen Vorschlag der Internationalen Energieagentur, in dem unterschieden wird zwischen „grauem“ Stahl, der mit hohem CO2-Ausstoß produziert wird, und „grünem“ emissionsarm produzierten Stahl. Hierbei könnte dann vorgegeben werden, wie hoch der Anteil von „grünem“ Stahl sein muss. Dann kann mit Zertifikaten gehandelt werden, falls das Ziel nicht erreicht oder übertroffen ist. Wo der klimafreundlich produzierte Stahl tatsächlich eingesetzt werde, spiele keine Rolle. Dieses Verfahren gebe es bereits beim Ökostrom.
Wenn der Staat darüber hinaus in bestimmten Bereichen nur noch klimafreundlich produzierte Güter zulasse, könne er diese Kosten des Klimaschutzes den Verursachern auferlegen, heißt es weiter. Als Beispiel nennen die Sachverständigen die Autoindustrie: Wenn der Staat etwa vorschreibe, dass Autos ausschließlich aus grünem Stahl produziert werden müssten, würden Autos um 300 bis 700 Euro teurer. Hier würden also jene belastet, die ein Auto kauften und nicht Steuerzahler im Allgemeinen.
Klimaschutzverträge mit Unternehmen halten die Fachleute derweil nur bei Pilotprojekten für sinnvoll. Niemand könne mit Sicherheit wissen, welche Technologien sich durchsetzen. Daher müsse der Entdeckungsprozess „so offen wie möglich“ gestaltet werden. Entscheidend sei dabei der Wettbewerb. Zugleich warnt das Gremium: „Etablierte Unternehmen werden immer bestrebt sein, den Staat zum Schutz ihrer eigenen Interessen gegen unliebsamen Wettbewerb zu missbrauchen.“
Zugleich sieht der Beirat auch das Risiko einer Emissionsverlagerung ins Ausland. „Der CO2-Preis ist in Europa deutlich höher als in anderen Ländern“, heißt es. Die heimische Industrie habe daher einen Anreiz, ihre Produktion ins Ausland zu verlegen. „Diese Verlagerung schadet nicht nur der deutschen Industrie, sondern auch dem Klima, denn für die Erderwärmung ist es gleichgültig, an welchem Ort der Welt CO2 in die Atmosphäre entweicht.“
Die Produktion von „grauem“ Stahl ist laut der Studie für 30 Prozent der CO2-Emissionen der deutschen Industrie verantwortlich und für knapp sieben Prozent der gesamten Treibhausgase in Deutschland. Der Beirat berät Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), ist aber unabhängig. Die 41 Fachleute kommen fünfmal im Jahr zusammen, um über selbstgewählte Themen zu beraten.