Berlin (epd). Die Gesetzespläne von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für ein Ende der Diskriminierung homosexueller Männer bei der Blutspende stoßen bei der Bundesärztekammer auf Kritik. Das derzeitige Verfahren, nachdem die Bundesärztekammer die Richtlinien für den Ausschluss oder die Rückstellung bestimmter Gruppen von der Spende festlegt, habe sich bewährt, sagte ein Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir warnen deshalb vor Bestrebungen der Politik, die Richtlinienkompetenz von der Bundesärztekammer auf weisungsgebundene Bundesoberbehörden zu verlagern“, ergänzte er.
Homosexuelle Männer dürfen jeweils vier Monate kein Blut spenden, wenn sie mit „einem neuen“ oder „mehr als einem“ Sexualpartner Geschlechtsverkehr hatten. Bei Heterosexuellen ist das nur bei „häufig wechselnden“ Sexualkontakten der Fall. SPD, Grüne und FDP wollen die als diskriminierend empfundene Regel abschaffen. Lauterbach plant eine Änderung des Transfusionsgesetzes, die die Bundesärztekammer verpflichten würde, ihre Richtlinie so zu ändern, dass Rückstellungen bei der Blutspende nur noch nach individuellem Risiko, nicht aber mehr nach der sexuellen Orientierung möglich sind. Ändert sie es nicht, soll das dem Gesundheitsministerium unterstellte Paul-Ehrlich-Institut einmalig die Richtlinie festlegen.
Der Sprecher der Bundesärztekammer erklärte, die Frage der Zulassung zur Blutspende stelle eine Risikoabschätzung auf der Basis der jeweils aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen und epidemiologischen Daten dar. „Wenn die politischen Entscheidungsträger bei den Auswahlkriterien für die Blutspende von diesem wissenschaftlichen Stand abweichen wollen, dann stehen sie auch in der unmittelbaren Verantwortung gegenüber den Menschen, wenn diese zu Schaden kommen“, warnte er.
Die Blutspende-Richtlinie der Bundesärztekammer wird nach seinen Angaben turnusgemäß derzeit überprüft. Eine Aktualisierung werde dem Vorstand der Bundesärztekammer im Februar 2023 zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt. Danach wird sie demnach dem Paul-Ehrlich-Institut vorgelegt, um dessen Einvernehmen einzuholen. Ob die aktuelle Überarbeitung etwas an den Regeln für homosexuelle Männer ändert und die Gesetzesänderung damit überflüssig machen könnte, blieb offen.
Die Kriterien zur Rückstellung bestimmter Personengruppen bei der Blutspende richten sich nach dem Risiko für eine durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheit wie HIV. Nach der aktuellen Schätzung des Robert Koch-Instituts stecken sich in Deutschland noch immer viele Menschen mit HIV an, 2021 waren es demnach rund 1.800. Größte Risikogruppe sind demnach homosexuelle Männer, wobei die Neuinfektionen bei ihnen im Vergleich zum Vorjahr von rund 1.110 auf 1.000 sanken. Ansteckungen bei heterosexuellem Sex blieben demnach auf gleichem Niveau (rund 440). Gestiegen sei die Zahl der HIV-Infektionen bei Menschen, die intravenöse Drogen nehmen (320).