Berlin (epd). Um dem wachsenden Mangel an Fachkräften zu begegnen, will Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erreichen, dass mehr Menschen erst mit 67 Jahren in Rente gehen. „Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können. Das fällt vielen heute schwer“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe und der französischen Zeitung „Ouest-France“ (Sonntag). Der Sozialverband Deutschland begrüßte den Vorstoß von Scholz. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger forderte, das Renteneintrittsalter müsse „dynamisiert“ werden.
Scholz verwies auf Prognosen von Fachleuten, denen zufolge bis zum Ende des Jahrzehnts etwa sechs Millionen Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt fehlen werden. Einiges könne durch bessere Startmöglichkeiten für junge Leute und Investitionen in die berufliche Aus- und Weiterbildung aufgefangen werden, sagte Scholz. Er verwies zudem auf „Steigerungspotenzial“ beim Anteil von Frauen am Arbeitsmarkt. „Und zusätzlich werden wir auch Einwanderung aus anderen Ländern benötigen, um unseren Wohlstand sichern zu können“, unterstrich der Kanzler.
Die Ampelparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, dass es keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters von derzeit 67 Jahren geben soll. Nach Berechnungen des Bundesinstituts fu?r Bevo?lkerungsforschung gehen die Menschen in Deutschland immer häufiger früh in Rente. Viele scheiden demnach bereits mit 63 oder 64 Jahren aus dem Arbeitsmarkt aus - und damit deutlich vor der Regelaltersgrenze.
Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Michaela Engelmeier, begrüßte den Vorstoß des Kanzlers. Es sei richtig, mehr zu tun, damit Ältere länger arbeiten könnten, etwa durch Umschulungen oder bessere Arbeitsbedingungen, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). „Wichtig ist dabei aber, dass die Menschen auch tatsächlich bis zur Regelaltersgrenze arbeiten können und nicht vorher aus gesundheitlichen Gründen ausscheiden müssen“, betonte Engelmeier.
Arbeitgeberpräsident Dulger forderte unterdessen eine „Grundrenovierung des Sozialsystems“. „Die Demografie ist nicht verhandelbar. Es ist jetzt schon klar, dass wir das Rentenniveau ab 2025 nicht bei 48 Prozent halten können“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Montag). Mit Blick auf das Renteneintrittsalter forderte er, dieses müsse „dynamisiert und an die steigende Lebenserwartung gekoppelt werden“. Zugleich betonte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: „Ich halte aber nichts davon, eine Zahl in den Raum zu werfen. Das bringt nichts, weil die notwendige Diskussion darüber dann schnell beendet werden würde.“
Bundeskanzler Scholz verteidigte auch das Vorhaben der Ampelkoalition, die Einbürgerung in Deutschland zu erleichtern. „Ganz lange wurden die, die nach Deutschland eingewandert sind, so behandelt, als würden sie das Land später wieder verlassen“, sagte er. Deutschland sei längst ein Einwanderungsland. In vielen Staaten erhalte man die Staatsbürgerschaft nach fünf Jahren, hob Scholz hervor. Das solle auch hierzulande der Fall sein, „wenn man Deutsch kann, seinen eigenen Lebensunterhalt verdient und keine Straftaten begangen hat“.