Angeklagter im NSU-2.0-Prozess zu Haftstrafe verurteilt

Angeklagter im NSU-2.0-Prozess zu Haftstrafe verurteilt

Frankfurt a.M. (epd). Im Prozess um die Drohschreiben mit der Unterschrift „NSU 2.0“ hat das Landgericht Frankfurt am Main den Angeklagten Alexander M. zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Die Vorsitzende Richterin Corinna Distler sprach den 54-jährigen Berliner am Donnerstag einer Vielzahl von Vergehen schuldig, darunter der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten, der Bedrohung, Beleidigung, Nötigung, Störung des öffentlichen Friedens und Volksverhetzung. (AZ: 5/17 KLs - 6190 Js 216386/21 (24/21))

Die Staatsanwaltschaft hatte für M. eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten gefordert. Der Angeklagte wies in einem letzten Vortrag alle Vorwürfe zurück. Diese seien nicht belegt. Staatsanwaltschaft und Polizei verbreiteten Lügen, um den Verdacht auf ihn als angeblichen Einzeltäter zu lenken, sagte er. Er sei lediglich Mitglied einer rechten Chatgruppe im Darknet gewesen, habe aber keine Straftaten begangen. Er beantragte nach einem Jahr und sieben Monaten Untersuchungshaft Haftverschonung gegen geeignete Auflagen.

Zwischen August 2018 und März 2021 waren mehr als 80 Drohschreiben per E-Mail, Fax oder SMS verschickt worden. Diese waren gespickt mit wüsten Beschimpfungen und Todesdrohungen. Adressaten waren vor allem Frauen des öffentlichen Lebens, Rechtsanwältinnen, Politikerinnen, Journalistinnen, Staatsanwältinnen. Die Schreiben waren mit „Heil Hitler“ unterschrieben. Die Bezeichnung „NSU 2.0“ spielte auf die rechtsextreme Gruppe an, die von 2000 bis 2007 neun Migranten und eine Polizistin ermordete.

Vor dem Urteilsspruch hatten Empfängerinnen der Drohschreiben weitere Aufklärung gefordert. Die Ermittlungen zu den Abrufen privater Daten der Betroffenen auf Polizeicomputern müssten mit Nachdruck fortgesetzt werden, forderten Linke-Politikerinnen wie Janine Wissler und Frauen des öffentlichen Lebens, darunter die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, die als erste Drohschreiben erhielt. Die Betroffenen gingen davon aus, dass zumindest das erste Drohfax von einem Polizisten und nicht vom Angeklagten verschickt worden sei. Die Gewerkschaft der Polizei hat diesen Verdacht zurückgewiesen.