Berlin (epd). Nach einer kontroversen Debatte hat der Bundestag den Weg freigemacht für den Weiterbetrieb von drei Atomkraftwerken bis zum 15. April des kommenden Jahres. Angesichts der Energiekrise und der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine beschloss das Parlament am Freitag mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP in Berlin entsprechende Änderungen im Atomgesetz. 375 Abgeordnete stimmten mit Ja, 216 mit Nein und 70 enthielten sich der Stimme.
Eigentlich sollten für den Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland die letzten drei Kraftwerke Isar-2, Neckarwestheim-2 und Emsland in Lingen am 31. Dezember dieses Jahres vom Netz gehen. Einige grüne Abgeordnete sowie die Linksfraktion stimmten in namentlicher Abstimmung gegen die Verlängerung des Betriebs. Die Union lehnte den Regierungsentwurf ab, weil sie eine Laufzeitverlängerung bis mindestens Ende 2024 erreichen wollte. Sie scheiterte mit einem eigenen Gesetzesantrag. Die AfD enthielt sich der Stimme.
In der abschließenden Debatte betonten Redner und Rednerinnen der Regierungskoalitionen SPD, Grüne und FDP, dass der Streckbetrieb der drei Kraftwerke notwendig sei, um durch diesen Winter zu kommen. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Am Atomausstieg halte die Regierung fest, erklärte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Christian Kühn (Grüne). Im Gesetz ist festgelegt, dass für den Weiterbetrieb nur die noch vorhandenen Brennstäbe zu nutzen sind.
Der Grünen-Abgeordnete und Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Harald Ebner, erklärte, er selbst und viele seiner Fraktionskolleginnen und -kollegen könnten die Entscheidung nur mittragen, weil keine neuen Brennstäbe gekauft würden und es beim Atomausstieg bleibe. Das Wort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „ist auch unseres“, sagte Ebner: „Am 15. April ist Schluss.“ Die Atomkraft-Expertin und Sprecherin der SPD-Fraktion für Klimaschutz und Energie, Nina Scheer, argumentierte, sämtliche Gründe gegen die Atomkraft gälten weiterhin. Wenn sie verlängert würde, würde das zudem die dringend notwendige Energiewende verlangsamen.
Die Union kritisierte, wenn die drei Kraftwerke im Süden und Nordwesten Deutschlands nur in diesem Winter weiterliefen, bringe das zu wenig. Auch der nächste Winter werde für die Energiesicherheit problematisch werden, sagte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stefan Bilger (CDU). Er warf der Regierung vor, den Mehrheitswillen der Bevölkerung zu ignorieren. Nach dem Willen der Union sollen die Kraftwerke mindestens bis zum Jahresende 2024 laufen. Sie hatte einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, mit dem sie aber scheiterte.
Die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Julia Klöckner (CDU), warf den Grünen vor, hohe Energiepreise und zusätzliche CO2-Emissionen allein aus ideologischen Gründen in Kauf zu nehmen. Es sei „moderner Kolonialismus“, so Klöckner, wenn man Fracking-Gas und Atomstrom aus anderen Ländern beziehe, die Technologien im eigenen Land aber ablehne. Die AfD, die für mehr Forschung und den Neubau von Reaktoren eintritt, warf der Regierung vor, dem Wirtschaftsstandort Deutschland zu schaden. Die Linksfraktion lehnt Atomkraft grundsätzlich und damit auch die befristete Verlängerung der Laufzeiten ab.
Nach wochenlangem Streit zwischen Grünen und FDP über den Weiterbetrieb der letzten Atomkraftwerke hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Oktober entschieden, dass alle drei noch laufenden Meiler bis Mitte April 2023 am Netz bleiben, danach aber kein Atomstrom in Deutschland mehr produziert werden soll. Die FDP war für einen längeren Betrieb eingetreten, die Grünen wollten zunächst am Ausstieg zum Jahresende festhalten.