Berlin (epd). Der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk hat sich dafür ausgesprochen, am 9. November ausschließlich der Verfolgung der Juden im Nationalsozialismus zu gedenken. Der Gedenktag solle allein den jüdischen Opfern der Schoah gehören, sagte der Experte für DDR-Geschichte am Mittwoch bei einer Tagung zur Ambivalenz des deutschen Gedenktags auf Einladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue in Berlin.
Kowalczuk, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stasi-Unterlagen-Behörde arbeitet und mehreren Gremien zur Aufarbeitung der SED-Diktatur angehörte, sagte, die am 9. November 1989 vom damaligen SED-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski verkündete Reiseregelung für DDR-Bürger sei die Folge der friedlichen Revolution gewesen. „Der eigentliche Revolutionstag war der 9. Oktober, als die hochgerüstete Diktatur in Leipzig angesichts von zehntausenden Menschen kapitulierte“, sagte er. Die Montagsdemonstration am 9. Oktober 1989 in Leipzig gilt als entscheidende Marke auf dem Weg zum Ende der SED-Diktatur.
Durch den Auftritt Schabowskis, der die Reiseregelung bei einer Pressekonferenz bekannt gab, habe die Welt glauben sollen „und glaubt bis heute, er sei der Grenzöffner gewissermaßen nebenbei und aus Versehen“, sagte Kowalczuk. Deswegen sei es besser, der friedlichen Revolution in der DDR am 9. Oktober zu gedenken. Um an den Kampf gegen die kommunistische Diktatur zu erinnern, gebe es zudem den 17. Juni. Ihn gelte es, „endlich wieder lebendig zu gestalten“, forderte der Historiker. Am 17. Juni 1953 wurde in der DDR ein Volksaufstand brutal niedergeschlagen.