Berlin (epd). Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat den Bundestag dazu aufgefordert, die für nächste Woche geplante Abstimmung über das Triage-Gesetz zu verschieben. Es gehe um die fundamentale grund- und menschenrechtliche Frage, wie medizinische Kapazitäten im Falle einer Knappheit zugeteilt würden, sagte die Direktorin des Instituts, Beate Rudolf, am Freitag in Berlin. Das sei keine medizinische Frage, „das ist eine ethische Frage“, so Rudolf. Die bisherige parlamentarische Befassung werde dieser fundamentalen Bedeutung nicht gerecht. „Deswegen halten wir es für geboten, die Abstimmung zu verschieben“, sagte sie.
Das Institut hat sich nach ihren Angaben in einem Brief mit dieser Forderung an alle Bundestagsabgeordneten gewandt. Rudolf plädierte auch dafür, bei der Abstimmung über das Gesetz den Fraktionszwang aufzuheben. Jeder und jede Abgeordnete müsse sich mit diesem ethischen Thema befassen und frei nach Gewissen abstimmen, sagte sie.
Nach einer Klage von Menschen mit Behinderung hatte das Bundesverfassungsgericht Ende vergangenen Jahres den Gesetzgeber dazu aufgefordert, wirksame Vorkehrungen zu treffen, damit Behinderte bei knappen medizinischen Ressourcen im Falle einer Pandemie nicht benachteiligt werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung wird derzeit im Bundestag beraten. In der nächsten Woche soll darüber abgestimmt werden.
Der Entwurf sieht vor, dass in Fällen der Knappheit durch eine übertragbare Krankheit die Zuteilung medizinischer Ressourcen nur aufgrund der aktuellen und kurzfristigen Überlebenswahrscheinlichkeit getroffen werden darf. Eine Benachteiligung wegen Behinderung, Alter, Geschlecht oder Herkunft soll ausdrücklich ausgeschlossen werden.
Das Institut für Menschenrechte lehnt das Kriterium der Überlebenswahrscheinlichkeit ab. Mit dieser Regelung werde menschliches Leben unterschiedlich bewertet, sagte Rudolf. Kurzes Leben dürfe nicht gegen längeres Leben aufgewogen werden. Das Kriterium könne dazu führen, dass der Fitteste die besten Chancen habe, zu überleben. Das Institut plädiert daher für ein Zufallsprinzip bei der Auswahl. Als gerechteste Variante bleibe nur die Randomisierung, sagte Rudolf.