Opferberatungen befürchten neue Welle rassistischer Gewalt

Opferberatungen befürchten neue Welle rassistischer Gewalt
Brennende Flüchtlingsunterkünfte und Hass auf den Straßen - derzeit wiederholen sich Bilder aus den Jahren 2015 und 2016. Verbände schlagen Alarm. Sie beklagen mangelnde Strafverfolgung.

Berlin, Dresden (epd). Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt in Deutschland warnen vor einer neuen Welle rassistischer und rechtsextremer Gewalt. Vor allem in Ostdeutschland gebe es zunehmend Hetze bis hin zu gewalttätigen Angriffen, sagte der Geschäftsführer der Beratungsstelle RAA Sachsen, Robert Kusche, am Donnerstag in einer Onlinepressekonferenz.

Jüngstes Beispiel sei der Brandanschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Bautzen. Dort hatte es im „Spreehotel“ am Freitag gebrannt, nachdem Fensterscheiben eingeworfen wurden. Vor Ort verschiebt sich nun die Aufnahme von bis zu 200 Menschen auf unbestimmte Zeit. Tage zuvor hatte die AfD eine Kundgebung vor der Unterkunft abgehalten.

Es brauche „endlich einen glaubhaften Paradigmenwechsel bei Polizei und Justiz in Ostdeutschland in der Strafverfolgung bei rechten Gewalttaten und bei Maßnahmen gegen rechte Aufmärsche“, forderte Kusche. Noch immer sei in Ostdeutschland die Gefahr, Opfer eines rassistisch, antisemitisch oder rechtsextrem motivierten Angriffs zu werden, dreimal so hoch wie in den westdeutschen Ländern.

Unzureichende Strafverfolgung trage dazu bei, dass sich Menschen ermutigt fühlten, mit Hass und Hetze weiterzumachen. „Das kennen wir aus den Jahren 2015 und 2016“, sagte Kusche. So seien 84 Prozent der Ermittlungen zu damaligen Straftaten inzwischen eingestellt worden. Kusche ist Vorstandsmitglied des bundesweiten Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.

Laut Verband werden nicht einmal ein Fünftel der Brandanschläge mit einem mutmaßlich rechtsextremen Hintergrund aufgeklärt. 2015 und 2016 seien täglich etwa fünf Menschen in Ostdeutschland und Berlin Opfer rechter Angriffe geworden, hieß es. In den vergangenen Wochen habe es außer in Bautzen auch Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Mecklenburg-Vorpommern, im bayrischen Krumbach sowie in Großzössen bei Leipzig und in Dresden gegeben.

Auch der Projektkoordinator der Thüringer Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt Ezra, Frank Zobel, fordert eine konsequentere Strafverfolgung: „Wir erleben eine neue Qualität in der extrem rechten und rassistischen Mobilisierung.“ Es gebe zudem einen Schulterschluss zwischen rechtsextremen Gruppierungen und der AfD. Auf der anderen Seite seien Aufklärungsquoten von Straftaten rechtsextremer Gewalt niedrig und Verfahren dauerten viel zu lange.

Die Sozialpsychologin Pia Lamberty spricht von einer „fragilen Lage“. Die Corona-Pandemie habe tiefe Spuren bei den Menschen hinterlassen. Es gebe sozial-gesellschaftliche Leerstellen, die Rechtsextreme immer wieder für sich nutzten. So fänden unter anderem Verschwörungserzählungen und russische Desinformationskampagnen zum Teil auch in Deutschland Zustimmung.

Eine aktuelle Studie zeige, dass prorussische Propaganda sich insbesondere in Ostdeutschland verfange, sagte Lamberty. Einmal mehr brauche es „eine klare Abgrenzung nach rechts“. Vor dieser Aufgabe stehe nicht nur die Zivilgesellschaft. Auch Politikerinnen und Politiker seien dazu aufgerufen.