Berlin (epd). Die Schließungen von Kindertagesstätten in der frühen Phase der Corona-Pandemie sind nicht nötig gewesen und haben benachteiligte Kinder besonders belastet. „Nach dem Wissen von heute kommt man zu der Erkenntnis, dass die Kita-Schließungen zu Beginn der Pandemie nicht nötig gewesen wären“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Mittwoch in Berlin. Die Betreuungseinrichtungen und auch die Kleinkinder selbst seien keine Treiber der Pandemie gewesen: „Kitas waren keine Infektionsherde“, sagte Lauterbach. Mit diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen müsse man offen umgehen und die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.
Die Ansteckungsraten bei Kindern unter fünf Jahren lagen unter denen von Schulkindern und Jugendlichen sowie deutlich unter dem Durchschnitt, erklärte Lauterbach. Die Übertragungsrate in Kita-Gruppen beträgt weniger als zehn Prozent, das entspricht etwa einem Fünftel der Ansteckungsrate in Familien. Man werde also aus medizinischer Sicht keine Kitas mehr schließen müssen, sagte Lauterbach. Hygiene- und Schutzmaßnahmen müssten aber eingehalten werden. Der Gesundheitsminister berief sich auf Erkenntnisse aus der vom Bund geförderten Corona-KiTa-Studie des Deutschen Jugendinstituts und des Robert Koch-Instituts.
Lauterbach wies außerdem darauf hin, dass die Impfquote beim Personal von Kinderbetreuungseinrichtungen bei 85 Prozent (dreifach geimpft) liegt und damit weit über dem Bevölkerungsdurchschnitt. Das gebe den Kindertagesstätten „eine große Sicherheit“, sagte der Minister. Sie seien gut vorbereitet auf die zu erwartende Corona-Welle im Herbst und Winter. Lauterbach nahm gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) Stellung zu den Ergebnissen der Corona-KiTa-Studie sowie zu Maßnahmen, die die Folgen der Pandemie für Kinder und Jugendliche abmildern sollen.
Paus bilanzierte, Kinder und Jugendliche litten an den Folgen der Corona-Maßnahmen. Besonders habe es Kinder getroffen, die es bereits vor der Pandemie schwer hatten: „Es ist nicht überraschend, aber umso bedrückender, dass die Pandemie die soziale Ungleichheit schon bei den Kleinsten verschärft hat“, sagte Paus.
Drei von zehn Schülerinnen und Schülern schätzten ihren Gesundheitszustand heute schlechter ein als vor der Pandemie, unter benachteiligten Kindern seien es 40 Prozent. Insgesamt habe sich der psychische Zustand bei jedem zweiten Kind verschlechtert, unter den sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen seien es zwei Drittel. Deshalb müsse bei allen Maßnahmen das Kindeswohl ins Zentrum gerückt werden. Besonders belastete Kinder und Familien müssten besonders unterstützt werden, sagte Paus.
Das Bundeskabinett hatte sich am Vormittag mit den Maßnahmen der Bundesländer zur Milderung der Corona-Folgen bei Kindern und Jugendlichen beschäftigt. Die Aktivitäten der Länder wurden vom Bund gefördert, etwa mit dem Programm „Aufholen nach Corona“ im Umfang von zwei Milliarden Euro. Es soll Kindern unter anderem helfen, Lernrückstände aufzuholen. Gefördert werden aber auch Urlaube für kinderreiche oder bedürftige Familien und Freizeitangebote.
Die Corona-KiTa-Studie wurde von Mitte 2020 bis Ende 2022 vom Deutschen Jugendinstitut und dem Robert Koch-Institut erstellt und vom Gesundheits- und Familienministerium gefördert. Sie gibt Auskunft über Kitas in der Pandemie, Ansteckungen und Krankheitsverläufe bei Kita-Kindern sowie über die Folgen der Corona-Maßnahmen.