Mainz (epd). In der Affäre um zurückgehaltene Beweismittel zur Ahrtal-Flutkatastrophe hat der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Mittwoch in Mainz seinen Rücktritt bekanntgegeben. Er übernehme damit die politische Verantwortung für Fehler, die in seinem Zuständigkeitsbereich begangen worden seien. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) dankte Lewentz für seine jahrelange Arbeit. Wer das Amt übernehmen solle, werde sie in den kommenden Tagen bekanntgeben. Den Landesvorsitz seiner Partei behält der SPD-Politiker bis auf Weiteres.
Lewentz stand seit längerer Zeit wegen seines Krisenmanagements in der Flutnacht in der Kritik. Die Landtagsopposition wirft dem Innenministerium vor, das Land habe viel zu lange damit gezögert, vom hoffnungslos überforderten Landkreis Ahrweiler die Einsatzleitung zu übernehmen. Im September waren zuvor unbekannte Videoaufnahmen eines Polizeihubschraubers und später auch ein Lagebericht aufgetaucht, die bereits das katastrophale Ausmaß der Flutwelle deutlich machten. Lewentz hatte stets erklärt, er habe in der Nacht kein umfassendes Lagebild gehabt.
Bei einem kurzfristig anberaumten Pressetermin in der Mainzer Staatskanzlei räumte der SPD-Politiker ein, dass er als Minister mit seinen Argumenten nicht mehr in der Öffentlichkeit durchdringe. Sollten seine Kommentare zu den Videoaufnahmen von der Flutnacht „kalt, gefühls- oder gar herzlos gewirkt haben, so tut mir dieser Eindruck sehr sehr leid.“ Tatsächlich gingen ihm die Aufnahmen sehr nahe. Zunächst wolle er sich nach den jüngsten Geschehnissen eine „Auszeit“ nehmen und danach unter anderem entscheiden, ob er auch den Vorsitz der Landes-SPD vorzeitig abgebe.
Eine für Mittwoch von CDU und Freien Wählern beantragte Debatte im Mainzer Landtag zur Rolle des Ministers in der Flutnacht wurde nach Bekanntwerden des Rücktritts wieder abgesagt. Die Oppositionsfraktionen begrüßten Lewentz' Entscheidung. „Verantwortung hat er nie übernommen, und er hat nie intensiv aufgeklärt“, sagte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf. „Am Ende des Tages wurde er gedeckt von dem System und von Malu Dreyer auch.“ Baldauf ließ offen, ob auch Ministerpräsidentin Dreyer erneut vor den Ausschuss geladen werden soll.
Dafür, dass die Videos dem Untersuchungsausschuss erst im September 2022 zugeleitet wurden, hatten in der vergangenen Woche die Präsidenten des Polizeipräsidiums Koblenz und des für die Hubschrauberstaffel zuständigen Einsatz, Logistik und Technik die Verantwortung übernommen. Die Aufnahmen vom Abend des 14. Juli 2021 über dem stark überfluteten Schuld und weiteren Ortschaften wurden teils mit Wärmebildkameras produziert und zeigen zahlreiche bis zum Dachgeschoss überflutete Häuser. Auch Menschen, die mit Lampen von Dächern oder Fenstern auf sich aufmerksam machen, und ein im Fluss treibendes Auto sind darauf zu sehen.
Lewentz hatte stets erklärt, das wahre Ausmaß der Zerstörung im Ahrtal erst in den Tagen danach erkannt zu haben. In der Nacht der Katastrophe waren Telefonverbindungen und Mobilfunknetze in der Region zusammengebrochen und viele Straßen nicht mehr passierbar. Bei der Flutwelle starben im Ahrtal mindestens 134 Menschen, zwei weitere Personen werden noch immer vermisst. Die meisten Todesopfer gab es am Unterlauf der Ahr in Bad Neuenahr-Ahrweiler und Sinzig, die von der Sturzflut erst erfasst wurden, als die auf den Hubschrauber-Videos gefilmten Ortschaften schon seit mehreren Stunden unter Wasser standen.