Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, die jüdische Gemeinde in ganz Deutschland sei schockiert über den mutmaßlichen Anschlag. "Er ist ein weiteres Zeichen für den wieder erstarkten Judenhass in Deutschland in den letzten Monaten und Jahren und damit nicht zusammenhangslos. Ich verurteile ihn aufs Schärfste."
Unbekannte hatten am 5. Oktober gegen 19 Uhr mit einem Stein oder einem anderen harten Gegenstand ein Bleiglasfenster der Synagoge eingeworfen. Dort hielten sich zu diesem Zeitpunkt etwa 150 bis 200 Menschen auf, um den Abschluss des Versöhnungsfestes Jom Kippur zu feiern. Verletzt wurde niemand. Die Polizei nahm umgehend die Ermittlungen auf.
Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) sagte, sie sei erschüttert. "Es geht hier nicht nur um ein kaputtes Fenster. Es geht hier um einen Eingriff in den sensibelsten Kern der Religionsausübung." Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland erklärte in München, es sei "schockierend und traurig zugleich, wie trotz Sicherheitsvorkehrungen immer unverhohlener und hemmungsloser jüdisches Leben mitten in Deutschland angegriffen wird". Die Attacke reihe sich in einen besorgniserregenden Trend ein. Es braue sich ein antisemitischer und antiisraelischer Cocktail zusammen, "gegen den jeder in diesem Land mit Herz und Verstand ankämpfen muss, damit jüdisches Leben und die Religionsfreiheit auch weiterhin eine Zukunft haben".
Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover betonte: "Dass Jüdinnen und Juden in unserer Gesellschaft in der Ausübung ihrer religiösen Praxis bedroht werden, ist unerträglich." Er sei zutiefst entsetzt und beschämt. Stadtsuperintendent Rainer Müller-Brandes sagte, die Beschädigung der Synagoge sei "dumm, verabscheuungswürdig und in keinster Weise hinzunehmen".
Erinnerung an Anschlag von Halle
Der katholische Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer forderte gesellschaftliche Geschlossenheit. "Wir stehen klar an der Seite unserer jüdischen Schwestern und Brüder. Wer Juden angreift, greift uns auch an." Dem schloss sich auch der katholische hannoversche Propst Christian Wirz an.
Sämtliche Vertreter aus Religion und Politik hoben hervor, der Vorfall rufe Erinnerungen an den Anschlag auf die Synagoge in Halle vor drei Jahren hervor, der ebenfalls am Jom Kippur begangen wurde. Damals hatte ein Rechtsextremist versucht, mit Waffengewalt in die Synagoge einzudringen, und zwei Passanten erschossen.
Bei der Attacke in Hannover hatten die Betenden in der Synagoge einen Schlag an einem Fenster an der Frauenempore gehört. Etwa in dortiger Kopfhöhe sei ein Gegenstand eingeschlagen, sagte der Vorsitzende der Gemeinde und des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Bleiglas klaffe ein Loch in der Größe eines DIN A4-Blattes. Der Gegenstand konnte nicht gefunden werden. Vermutlich sei er zurück ins Freie geprallt.
Aktualisierung: Im Zuge der polizeilichen Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Fensterscheibe nicht durch ein Wurfgeschoss, sondern durch einen Vogel zu Bruch ging. Siehe der Bericht des Evangelischen Pressedienstes vom 15.11.22.