Berlin, Bogotá (epd). Kolumbiens neuer Präsident Gustavo Petro hat Verhandlungen für einen umfangreichen Waffenstillstand angekündigt. Er rief laut der Tageszeitung „El Espectador“ (Freitagausgabe) alle illegalen bewaffneten Gruppen im Land auf, in Verhandlungen mit der Regierung einzutreten. „Was wir vorschlagen, ist eine Einstellung aller Feindseligkeiten“, sagte Petro nach seiner Teilnahme an der UN-Vollversammlung am Donnerstag (Ortszeit) in New York. Mit dem Vorschlag soll der Jahrzehnte anhaltende Bürgerkrieg in dem südamerikanischen Land mit inzwischen mehr als 300.000 Toten beendet werden.
Petro, ein ehemaliger Guerillakämpfer, der 1990 seine Waffen niederlegte, will mit Dissidenten der ehemaligen Farc-Guerilla verhandeln, die 2016 das Friedensabkommen zwischen der Gruppe und der Regierung abgelehnt haben. Ebenso will er die Gespräche mit den noch aktiven ELN-Rebellen wiederaufnehmen, die sein Vorgänger, der Konservative Iván Duque, abgelehnt hatte. Aber auch kriminelle Banden, die in den Drogenhandel verwickelt sind und teils aus widerbewaffneten ehemaligen Paramilitärs bestehen, schließt er in seine Bemühungen ein. Der neue Hochkommissar für Frieden der Regierung habe bereits Kontakte zu verschiedenen bewaffneten Gruppen, sagte Petro.
Der seit August amtierende Präsident hat die Befriedung des Landes als eine seiner wichtigsten Aufgaben genannt. Die 2016 im Friedensvertrag zwischen Regierung und Farc-Guerilla vereinbarte Aufarbeitung der Gräuel verläuft schleppend, unter anderem, weil Petros Vorgänger die Umsetzung der Vereinbarung ausgebremst hat. Kriminelle Banden, paramilitärische Gruppierungen und Rebellen kämpfen in vielen Gebieten um die Vorherrschaft im Drogenhandel. Aktivistinnen und Aktivisten, die sich für Minderheiten, Bauern, die Umwelt, Menschenrechte und eine Eindämmung der massiven Ungleichheit einsetzen, werden bedroht und ermordet.
Die neue Regierung will für ihre Friedensbemühungen auch den Wehrdienst nach und nach abschaffen. Stattdessen sollen junge Kolumbianerinnen und Kolumbianer einen „sozialen Friedensdienst“ leisten, bei dem sie sich laut Verteidigungsminister Iván Velásquez zum Nutzen der Gesellschaft für soziale, kulturelle oder ökologische Belange engagieren. Für das stark militarisierte Kolumbien, in dem seit Jahrzehnten brutale Gewalt herrscht, wäre das eine grundlegende Veränderung.