Kassel (epd). Der Gnadauer Verband hat in seiner ersten Erklärung zum Verhältnis von Christen und Juden die Mission unter Juden abgelehnt. Gleichzeitig betont der evangelikale Verband seine Solidarität mit „messianischen Juden“, also Juden, die an Jesus Christus als den Messias glauben. Die Erklärung „Von Gottes Treue getragen“ ist von der Mitgliederversammlung am 17. September in Baunatal bestätigt worden, wie der Verband am Donnerstag in Kassel mitteilte. Mit der Ablehnung der Judenmission folgt der Verband der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), zu den „messianischen Juden“ nimmt er eine andere Haltung ein.
Der Gnadauer Verband, welcher in Deutschland die Pietisten repräsentiert, verweist in der Erklärung auf die „bleibende Erwählung Israels“: „Wir halten fest, dass Gottes Bund mit seinem Volk Israel uneingeschränkt weiter besteht“, heißt es. Allzu oft habe dies die Kirche vergessen und missachtet. „Mit tiefer Beschämung erkennen wir unsere Mitverantwortung und Mitschuld an den Verbrechen gegenüber dem jüdischen Volk durch die Jahrhunderte und ein Versagen der Kirche in der Schoa des 20. Jahrhunderts.“
Der Verband trete daher entschieden gegen die Abwertung des Judentums und für ein versöhntes Miteinander ein. „Jeder Form von Judenfeindschaft oder Antisemitismus widersprechen und widerstehen wir in Solidarität mit dem jüdischen Volk.“ Dies habe Konsequenzen für die Mission: Zwischen der sogenannten Völkermission und dem Christuszeugnis gegenüber Juden sei grundlegend zu unterscheiden. Der Gnadauer Verband unterlasse „alle Bemühungen, Juden zum Religionswechsel zu bewegen“. Soweit folgt der Verband der EKD.
Jedoch schätze der Gnadauer Verband Juden, die an Jesus als Messias glauben, als „Schwestern und Brüder“. „Es ist Aufgabe der Kirche, messianische Gruppen und Kreise zu unterstützen und Verbundenheit mit ihnen zu leben“, heißt es in der Erklärung. Es dürfe keinen prinzipiellen Ausschluss von messianischen Juden aus kirchlichen Veranstaltungen oder Räumen geben.
Dagegen hatte die EKD 2017 erklärt, dass das Nein zur Judenmission in der Begegnung mit „messianischen Juden“ nicht infrage gestellt werden dürfe. Konkret bedeute dies, dass die EKD keine institutionellen Kontakte unterhalte - anders als zum Zentralrat der Juden, erläuterte ein Sprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Nach der EKD-Erklärung hatte auch das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages den Beschluss gefasst, christliche Gruppen, die judenmissionarisch ausgerichtet sind, nicht zur Mitwirkung zuzulassen. „Dies betrifft auch messianisch-jüdische Gruppierungen und Gemeinden sowie deren Unterstützerorganisationen.“ Seit Mitte der 1990er Jahre existieren nach Angaben der EKD ungefähr 40 „messianisch-jüdische“ Gemeinden oder Hauskreise in Deutschland, in denen sich nicht mehr als 2.000 Personen regelmäßig versammelten.
Der Evangelische Gnadauer Gemeinschaftsverband versteht sich als freies Werk innerhalb der evangelischen Kirche. Mit fast 100 Verbänden, Mitgliedswerken, Diakonissen-Mutterhäusern und theologischen Ausbildungsstätten ist er nach eigenen Angaben die größte eigenständige Bewegung innerhalb der EKD. Seine Ursprünge reichen bis in das Jahr 1888 zurück.