Berlin (epd). Der designierte Vorsitzende der Enquete-Kommission zu den Lehren des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr, Michael Müller (SPD), sieht die Arbeit des Gremiums als Voraussetzung für das Gelingen künftiger deutscher Auslandseinsätze. Deutschland sei angesichts der vielen Krisenherde in der Welt gefordert, sagte Müller vor der konstituierenden Sitzung am Montag. Dabei nähmen die Krisen eher zu, die Situation in vielen Ländern werde wegen Klimaveränderungen, Kriegen und Hunger schwieriger. Viele Menschen seien auf der Flucht. „Es braucht die Schlussfolgerungen aus Afghanistan, damit deutsche Einsätze künftig besser laufen.“
Dabei stelle sich die Frage, „wie können wir uns im Vorfeld besser vorbereiten?“ und wie könne ein Land so stabilisiert und befriedet werden, dass es auch nach Ende des Einsatzes stabil bleibe. Das sei in Afghanistan auch deshalb nicht gelungen, „weil wir nicht die Menschen in der Fläche erreicht haben.“ Viele Veränderungen hätten nur die Bevölkerung der Hauptstadt Kabul oder anderer großer Städte erreicht. Doch außerhalb davon hätten viele kein Vertrauen in das deutsche und internationale Engagement oder in die eigene Regierung gehabt.
Der Bundestag hatte im Sommer die Einsetzung der Kommission beschlossen, die den 20-jährigen Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan rückblickend analysieren und Lehren für die Zukunft militärischer Einsätze ziehen soll. Zusätzlich berief der Bundestag einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, dessen Arbeit sich auf die militärische Evakuierungsaktion aus Kabul im August 2021 beschränkt, die wegen der schnellen Rückeroberung des Landes durch die radikal-islamischen Taliban nötig wurde.
Der Enquete-Kommission gehören jeweils zwölf Bundestagsabgeordnete und von den Fraktionen benannte Sachverständige an. Sie soll laut dem Auftrag des Bundestags spätestens nach der Sommerpause 2024 einen Abschlussbericht vorlegen, was Müller nicht für machbar hält. Das Ziel sei jedoch, den Abschlussbericht noch vor Ende der Legislaturperiode vorzulegen.
Besonders im Fokus wird Müller zufolge das Zusammenspiel aller Kräfte sein, wie der Bundeswehr und der zivilen Organisationen, beispielsweise der Entwicklungshilfe. Dabei seien wichtige Themen für zukünftige Einsätze der Zugang zu den Menschen im jeweiligen Land, deren Kultur sowie Kontakte zu Bündnispartnern vor Ort, die bei einem Abzug die Arbeit übernehmen können.
Die Ombudsfrau für die SPD in der Kommission, Derya Türk-Nachbaur, gab sich zuversichtlich, dass das Gremium dafür Zugang zu allen nötigen Dokumenten haben wird. Im Unterschied zu einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss haben Enquete-Kommissionen weniger Befugnisse bei der Akteneinsicht. Die Arbeit der Enquete-Kommission richte sich eher in die Zukunft, dafür seien nicht alle Dokumente notwendig, sagte Türk-Nachbaur.