Wittenberg (epd). Im Streit um die als Wittenberger „Judensau“ bekannte mittelalterliche Schmähplastik hat sich eine Gruppe israelischer Wissenschaftler gegen eine Abnahme der Skulptur von der evangelischen Stadtkirche ausgesprochen. In einem offenen Brief an den Gemeindekirchenrat heißt es, Antisemitismus lasse sich nicht durch Bilderstürmerei stoppen. Anstatt die Skulptur ins Museum zu stellen, sollte sie an Ort und Stelle genutzt werden, um über das Verhältnis von Christen und Juden im Mittelalter aufzuklären.
Unterzeichnet ist das auf Englisch verfasste Schreiben, das der Gemeindekirchenrat am Mittwoch in Wittenberg veröffentlichte, vom mehr als 50 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern israelischer Universitäten, darunter zahlreiche Kunst- und Kulturhistoriker.
Weiter heißt es in dem Schreiben, die Präsenz der „Judensau“ im öffentlichen Stadtraum sei eine wichtige Erinnerung an die Vergangenheit. Die Schmähplastik von der Kirche zu entfernen, würde bedeuten, die Gräueltaten des Antisemitismus zu beseitigen und in der Konsequenz die Vergangenheit zu leugnen. Zugleich regten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, die Informations- und Gedenkstätte am Fuße der in rund vier Metern Höhe an der Außenfassade der Kirche sichtbaren Schmähplastik weiterzuentwickeln.
Das Fassadenrelief zeigt unter anderem ein Schwein, an dessen Zitzen Menschen saugen, die Juden darstellen sollen. Ein 2020 vom Gemeindekirchenrat einberufener Beirat hatte Ende Juli empfohlen, die Schmähplastik zeitnah zu entfernen und mit einem angemessenen, einordnenden Rahmen zugänglich zu machen.