Wiesbaden, Hannover (epd). Nach Ansicht des Schriftstellers Stefan Weiller spielen Lieder, die das eigene Leben geprägt haben, zum Lebensende hin für Menschen noch einmal eine ganz besondere Rolle. „Für viele Menschen gibt es so etwas wie einen Soundtrack des Lebens“, sagte Weiller im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Lieder, die von den großen Momenten der Vergangenheit erzählen, könnten eine sinnliche Brücke schlagen zwischen dem Leben und dem Sterben, sagte er. Sein Projekt „Letzte Lieder“ führt Weiller am Samstag (10. September) in der Marktkirche Hannover auf.
Weiller reist seit zwölf Jahren durch Deutschland, die Schweiz und Schweden, um mit Menschen in Hospizen und Pflegeheimen über die Musik ihres Lebens zu sprechen. Für sein jüngstes Projekt hat der Wiesbadener sich mit Menschen in Niedersachsen unterhalten - ohne Kamera, ohne Mikrofon, ohne Notizbuch. Weiller schreibt frei aus der Erinnerung. Seine Reise führte ihn von Bremervörde, Buchholz in der Nordheide und dem Alten Land über Hannover, Osnabrück und Bad Pyrmont bis nach Braunschweig, Wolfsburg und Göttingen.
Die „Letzten Lieder“ seien voller Humor, Lebensfreude und Kraft, aber sie verharmlosen nichts, sagte Weiller. „Traurigkeit und Härten werden benannt und nicht verzärtelt umschifft.“ Es gehe um eine offene, angstfreie Auseinandersetzung mit dem Sterben, nicht darum Beerdigungslieder zu sammeln. Viel mehr stünden das Leben, Erinnerungen und Erlebnisse im Mittelpunkt und die Frage: Was bleibt am Ende des Lebens? Was war prägend?
Musik habe für die meisten Menschen eine enorme Bedeutung. Der erste Kuss, ein schöner Urlaubstag, eine besondere Begegnung - oft sei es Popmusik, die in solchen Momenten zumeist eher unauffällig im Hintergrund laufe und sich tief mit der Erfahrung des besonderen Moments verwebe. „Dieses Gefühl ist spirituell, bleibt immer geheimnisvoll und ist auch viel später noch abrufbar, die Wirkung ist erstaunlich.“
Die Bandbreite der „Letzten Lieder“ sei groß, sagte Weiller. Die Palette reiche von Abbas „Dancing Queen“, Leonard Cohens „Suzanne“ und dem Lied „Steh auf, wenn Du am Boden bist“ von den Toten Hosen bis hin zu Johann Sebastian Bachs Kantate „Jesu, der Du meine Seele“.
„Einer der intensivsten Songs ist für mich das Lied 'Göttingen' der Künstlerin Barbara“, sagte Weiller. „Göttingen“ hat die 1930 in Paris geborene französische Chansonniere während eines Konzertbesuchs 1964 komponiert. Das „Friedenslied“ gilt als Beitrag zur Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.