Karlsruhe (epd). Vertreter von Kirchen aus dem globalen Süden haben an die vielen „vergessenen“ humanitären Krisen auf der Welt erinnert. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die dadurch verursachte menschliche Not lenkten von anderem Leid ab, sagte der Generalsekretär des internationalen Hilfsnetzwerks Act Alliance, Rudelmar Bueno de Faria, am Montag in Karlsruhe auf der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Er warnte vor einem Nachlassen der Spendenbereitschaft.
Am Rande der ÖRK-Vollversammlung erklärte der Generalsekretär von Act Alliance, für die Ukraine-Hilfe würden viele Gelder bereitgestellt. Jedoch blieben für die Bewältigung anderer humanitärer Krisen in Afrika oder Asien kaum noch finanzielle Mittel übrig. „Es scheint so, dass nur die Ukraine zählt“, betonte er.
Rudelmar Bueno de Faria nannte als Beispiel die humanitären Krisen in Afghanistan, Äthiopiens Tigray-Region, Venezuela, Jemen, Syrien und dem Sudan. Act Alliance setzt sich aus mehr als 140 glaubensbasierten Mitgliedsorganisationen zusammen, die in den Bereichen Entwicklung und humanitäre Hilfe tätig sind.
Der Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA), Thomas Schirrmacher, sprach sich bei aller Kritik am Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine gegen eine pauschale Verurteilung der gesamten russischen Bevölkerung aus. Die russische Regierung gelte es zu verurteilen, aber viele der im Krieg getöteten jungen russischen Soldaten seien selbst Opfer, sagte Schirrmacher auf einem Haupt-Podium der Tagung. Die Weltweite Evangelische Allianz wurde 1846 in London als interkonfessionelle Einigungsbewegung gegründet.
Die indische Delegierte Ruth Mathen kritisierte unterdessen, dass in den Entscheidungsgremien des ÖRK wie dem Zentralausschuss junge Menschen unterrepräsentiert seien. Der ökumenische Dachverband habe noch viel Spielraum, um Junge stärker einzubinden, so Mathen, die für die Asiatische Christliche Konferenz arbeitet.
An der neuntägigen Weltkirchenkonferenz, die noch bis 8. September in Karlsruhe tagt, nehmen mehr als 3.000 Gäste aus aller Welt teil. Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von 352 Kirchen, die weltweit über 580 Millionen Christen vertreten. Die römisch-katholische Kirche ist nicht Mitglied.